Nizza Reisebericht Tag 5: Ausflug mit dem Mietwagen zur Ancien Barrage de Malpasset & Fahrt nach St. Tropez
Heute stand ein Ziel auf dem Plan, das mir schon seit ungefähr vier Jahren im Kopf herum geistert. Es muss so etwa im Sommer 2009 gewesen sein, als ich zum ersten Mal den Artikel der Ancien Barrage de Malpasset in der Wikipedia entdeckte. Völlig fasziniert von den Überresten eines gebrochenen Staudamms behielt ich das Ziel im Hinterkopf, bis sich jetzt endlich die Möglichkeit ergab, den Platz der damaligen Katastrophe mit eigenen Augen zu sehen. Also nichts wie ab auf die Straße!
Zuerst brauchten wir dafür aber unseren Mietwagen: In Gedanken sah ich mich schon in einem der vor der Tür der Autovermietung stehenden Hochdach-Sprinter durch die Gegend cruisen, da wir wie im letzten Post geschrieben ein Auto der Kategorie “utilitaire” gebucht hatten. Doch bei der netten Dame vom rentacar-Schalter gab’s stattdessen einen netten Nissan NV200 mit den Ausmaßen eines normalen PKWs. Ich hatte vorher noch nie von diesem Fahrzeugmodell gehört, aber tatsächlich sollen ab 2013 knapp 13.000 dieser Fahrzeuge in der Passagier-Variante als gelbe Taxis in New York herum fahren. Na, das wird ja eine Veränderung im Stadtbild vom Big Apple werden!
Aber zurück nach Frankreich. Falls ihr auch einmal zur Barrage de Malpasset fahren wollt, solltet ihr unbedingt bei der Ausfahrt 38 der A8 in Richtung Fréjus und Saint-Raphaël abfahren und im nächsten Kreisel den Hinweisschildern zur “Site de Malpasset” folgen. Google Maps zeigt euch unter Umständen den falschen Weg an: Fahrt einfach immer weiter geradeaus bis ihr den Fluss Reyran kreuzt.
Genau an dieser Stelle verzweifelten wir fast. Durch die Regenfälle der letzten Tage war das kleine Flüsschen Reyran zu einem ordentlichen Strom angeschwollen und das Wasser stand ziemlich hoch über der Straße. Hätte ich ein Allradfahrzeug gehabt, wäre ich wahrscheinlich mit viel Schwung einfach durchgebrettert. Mit unserem allwetterbereiften Frontkratzer hatte ich allerdings große Bedenken, zumal die Strömung wirklich nicht von schlechten Eltern war.
Ein Festfahren im Schlamm mit anschließendem Aussteigen und doofem Gesicht ist die eine Sache – in diesem Fall wäre aber der steckengebliebene Wagen von der Strömung in die Steine gedrückt worden. Und wie zur Hölle hätte ich das der netten Dame vom Mietwagenverleih erklärt?
“Öh jo, sie werden lachen, aber ihr Auto liegt im Bach …”
Und so half alles nix: Wagen abstellen, Gepäck gut verstauen, Schuhe aus und vorsichtig ab durch den Fluss. Was tut man nicht alles für ordentliches Sightseeing abseits der ausgelatschten Pfade.
Nur für’s Protokoll: Mit dem Auto wären wir auch nur ungefähr einen Kilometer weiter gekommen, bevor wir den Wagen auf einem Parkplatz abstellen und sowieso den Weg zu Fuß hätten fortsetzen müssen.
Vielleicht ist dem einen oder anderen die Geschichte der Barrage de Malpasset noch unbekannt: Die Talsperre wurde im Jahr 1954 fertig gestellt, um das kleine bis dato unschuldige Gebirgsflüsschen Reyran aufzustauen. Am 2. Dezember 1959 kollabierte der Damm plötzlich ohne große Vorwarnung und ließ eine Flutwelle von rund 40 Metern Höhe ins Tal hinab stürzen.
Die Kräfte müssen unvorstellbar gewesen sein, denn selbst rund 1200 Meter vom eigenen Damm entfernt liegen heute noch Bruchstücke der Staumauer in der Größe eines Einfamilienhauses. Schaut doch nochmal genau in das obere Bild: Alle größeren Felsen sind nicht natürlichen Ursprungs.
Nach einem recht entspannten Wanderweg wurde es für uns auf den letzten Metern noch einmal ziemlich ungemütlich, denn das komplette linke Ufer des Flusses war wegen der Regenfälle der letzten Tage überflutet, sodass wir über Steine und Felsen bis zum unteren Fußpunkt der Mauer kraxeln mussten. Im Sommer sollte das bei niedrigerem Wasserstand aber wesentlich entspannter machbar sein.
Auch von hier lässt sich die Kraft nur erahnen, die nötig war um diese gigantische Mauer zum Einsturz zu bringen. Die genaue Anzahl der Opfer ist bis heute nicht bekannt, sondern kann nur auf 400 bis 500 geschätzt werden. Die kleinen Orte Malpasset und Bozon sowie die damalige Baustelle der A8 wurden komplett ausradiert. Beim Erreichen der Stadt Fréjus hatte die Flutwelle noch eine Höhe von drei Metern und zerstörte auch hier große Teile der Stadt.
Auf dem GPS konnten wir gut erkennen, dass es noch einen mäanderförmigen Weg gab, der recht nahe an die Dammkrone heran führte. Also zurück über die ganzen Felsen und ab nach oben.
Beim Blick auf die gegenüberliegende Seite ist das Ausmaß der größten zivilen Katastrophe in Frankreich noch einmal deutlich zu sehen. Durch den Wasserdruck innerhalb einer vor dem Bau unentdeckt gebliebenen Kluft im Gestein wurde die komplette linke Seite der Mauer aus seinem Fundament gehoben.
Von der rechten Seite sind hingegen heute noch gute zehn Meter in Originalgröße erhalten. Ein Betreten der Überreste ist übrigens streng verboten. Das Geländer dürfte wahrscheinlich schon gut verrostet sein und auch die Felsen rund um den Aussichtspunkt eignen sich aus meiner Sicht überhaupt nicht für waghalsige Klettermanöver. Also mein Tip: Lieber nur knipsen statt klettern!
So faszinierend dieser Ort auch ist, desto mehr war es jetzt an der Zeit schleunigst wieder den Rückweg zum Auto anzutreten und endlich nach St. Tropez aufzubrechen.
Ja, wie fange ich denn jetzt an…
Rekapitulieren wir doch mal die typischen Klischees von St. Tropez: Jet-Set, High-Society, reiche Millionäre und DJ Antoine, der in in seinem dicken Auto die Geschichte vom endlosen Geldausgeben singt. Damn it, waren wir überhaupt im richtigen St. Tropez angekommen? Oder gibt’s da noch irgendwo ein Zweites?
Nehmen wir mal an, man hätte mich an diesem Platz abgesetzt ohne mir den Ortsnamen zu verraten, hätte ich mich wahrscheinlich in dieses kleine nette Fischerdörfchen verliebt. Schnucklige Gässchen, eine der Sonne zugewandte Hafenpromenade und ein normales Treiben auf den Straßen.
Natürlich fallen die auf Hochglanz polierten Yachten schon etwas auf, die im Port Grimaud um die Wette funkeln. Die Parkgebühren sprechen aber nicht unbedingt die Sprache des verschwenderischen Luxus: Drei Stunden Parken für 2,40€? Kein Wunder, dass DJ Antoine “too much money on the bank account” hat.
Natürlich soll das alles keine Kritik sein, sogar ganz im Gegenteil. Ich bin richtig froh, dass sich St. Tropez trotz der Geschichten um Brigitte Bardot bzw. um Gunter Sachs seinen ursprünglichen Charme bewahren konnte. Es ist ja fast schon ein Paradebeispiel für die friedliche Koexistenz von knapp 5000 Einwohnern und den Millionen an Touristen, die jedes Jahr vorbei schauen.
Ein kleiner Besuch bei der historischen Gendarmerie Nationale am Place Blanqui war natürlich noch Pflichtbesuch. Hier drehte Louis de Funès als Gendarm von St.Tropez seine legendären Filme.
Nach einem so ereignisreichen Tag darf man dann auch mal die Selbstbeherschung verlieren und ein typisch dämliches Touri-Foto knipsen. Ich hatte erst vor kurzem in Heikes Blog von einem hohlen Baum direkt vor dem Gebäude erfahren. Da musste ich einfach ein Bild davon haben.
An dieser Stelle folgte dann noch ein kurzes Telefonat mit der eingangs erwähnten Lady unserer Mietwagen-Firma, denn eigentlich hätten wir unseren Ausflugstag schon lange beenden müssen um unseren Nissan nach Nizza zu bringen.
“Sie wollen das Auto erst morgen abgeben? Kein Problem, kostet keinen Aufpreis. Wir sehen uns dann morgen früh” – Yeah. Und da sag’ mal noch einer was gegen französischen Service.
Umso schöner konnten wir dann den Abend ausklingen lassen. Statt Hetzerei auf der Autoroute und Panik bei der Suche nach einer Tankstelle erklommen wir die Stufen zur Zitadelle von St. Tropez und genossen den Sonnenuntergang direkt über der Stadt.
Und erst als die Sonne hinter dem Massif des Maures verschwunden war, machten wir uns ganz gemütlich auf den Heimweg nach Nizza.
Wow, von dem zerstörten Staudamm hatte ich noch nichts gehört, sehr interessant! Die Fotos von Saint-Trop bei Abendstimmung sind toll :)
@Alex: Ja, der Damm ist nicht ganz so bekannt. Leider findet man deswegen auch verdammt wenig im Internet. Gerade die Anfahrt war echt ein kleines Abenteuer. Ich werde definitiv noch einen GPS-Track nachreichen.
Kann mich Alex nur anschließen, gut auf den Punkt gebracht.
hahaaa… das Baumfoto ist genial :))
viel Spaß euch noch!
From Paris with love, Vicky
The Golden Bun
@Vicky: Puh, immerhin einem dem gefällt. Alle anderen müssen für bekloppt gehalten haben, als ich von innen in den Baum gekraxelt bin.
Hehe, keine Angst, in dem Baum waren schon mehrere Blogger gesteckt ;)
Siehe: http://www.koeln-format.de/2013/03/17/welcome-to-st-tropez-36-h-mit-dem-neuen-cla-an-der-cote-dazur/
@Alex: Genau von dem Eintrag bezog ich die Inspiration selber in den Baum zu klettern. :) Ein Glück war der hohle Stamm mehr als easy zu finden, auch wenn man echt eine ziemlich anspruchslose Nase haben sollte. Der Geruch in den Baum ist “gewöhnungsbedürftig”
Lol, ich war am 26. März in St. Tropez. Ich war aber ziemlich enttäuscht. Man hört ja immer von den Medien, dass St. Tropez die Hochburg der Reichen ist, aber irgendwie lag die kleine Stadt noch im Winterschlaf.
@Florian: Ja, ich konnte es selber kaum glauben. Ich habe aber jetzt schon gehört, dass im Sommer wohl auch nicht soviel los sein soll. Das Jetset-Leben soll sich eher auf Yachten und privaten Strandclubs konzentrieren. Mal schaun, wie ich das überprüfen kann :)
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