Nizza Reisebericht Tag 7: Ausflug mit dem TGV nach Cannes, Boulevard de la Croisette, Palais des Festivals et des Congrès & Pointe Croisette
Cannes – Muss aber nicht.
Mit diesem omnipräsenten Running-Gag führten Conny und ich uns jeden Tag vor Augen, dass ein Besuch in der Stadt der Filmfestspiele definitiv noch sein muss. In gewisser Weise war diese Stadt auch schon als Erweiterung für unseren Barrage de Malpasset & St. Tropez-Tag im Gespräch. Allerdings waren wir uns an diesem Tag schon am Morgen einig, dass wir soviel Programm zeitlich nicht in den Griff bekommen würden. Also schoben wir Cannes erst einmal auf der Zeitachse nach hinten.
Im Nachhinein war dies aber eine gute Entscheidung, denn den Mietwagen konnten wir für die etwas-weiter-weg Ziele an Tag 5 wesentlich besser gebrauchen. Am heutigen Tag erstanden wir am Bahnhof von Nizza für 9,30€ pro Nase ein one-way Ticket für den TGV, der keine 30 Minuten für die 32 Kilometer brauchte. Ein besonderes Schmankerl an dieser Stelle ist die bereits im Fahrpreis inkludierte Sitzplatzreservierung.
Ich bin immer noch völlig ratlos, wie wir in Deutschland mit voller Gewalt auf den Gebaren der Billigflieger herum dreschen, aber gleichzeitig überhaupt kein Problem damit haben, bei einem sündhaft teuren ICE-Ticket um einen Sitzplatz zu bangen. Ich glaube, das werde ich nie verstehen.
Der Hauptbahnhof in Nizza ist Ausgangspunkt des TGV-Zugs nach Brüssel, mit dem man auch in 5:30 Stunden in Paris sein könnte. Uns reichte die halbe Stunde Fahrt aber völlig, um die Erinnerung an unsere Zugfahrt von Stuttgart nach Paris im letzten Sommer wieder aufleben zu lassen. Der Innenraum des TGVs birgt übrigens so manche kleine Überraschung. So wurde das orange-lila-Farbschema fast konsequenter als bei Wizzair durchgezogen: Im TGV ist nämlich sogar das Toilettenpapier lila.
Die Stadt Cannes dürfte wahrscheinlich nur den Filmfreunden unter euch ein Begriff sein.
Die Geschichte dieses Ortes klingt auf den Blick verdächtig ähnlich zu der Historie von St. Tropez. Auch an diesem Fleck lebten bis zum 19. Jahrhundert nur einige Fischer, bis französische Adelige diese Gegend als zukünftigen Bauort ihrer Ferienwohnungen auswählten und so das Image und auch auch die Quadratmeterpreise von Cannes kräftig anhoben.
Relativ schnell kamen die Herrschaften der oberen Zehntausend auf den Trichter, dass eine Prachtstraße nicht nur die Zufahrt zu ihren Domizilen verbessern, sondern auch die Außenwirkung von Cannes steigern könnte. Und so wurde nach dem Vorbild der Promenade des Anglais in Nizza die große Flaniermeile Boulevard de la Croisette angelegt, die man gerade im Zusammenhang mit der Berichterstattung um die Filmfestspiele auch nur mit ihrem Spitznamen Croisette anspricht.
Und da wären wir auch schon beim Thema. Um den genauen Grund der Konzeptionierung der Internationale Filmfestspielen von Cannes kurz vor dem Zweiten Weltkrieg ranken sich diverse Mythen. Zum Beispiel nennt eine Version die große Angst der Filmbranche vor der politischen Infiltration der Filmfestspiele von Venedig. Schon alleine der Name des venezianischen Hauptpreises „Coppa Mussolini“, der in den Jahren 1934 bis 1942 verliehen wurde, lässt erkennen, dass die Befürchtung nicht ganz grundlos war und die Filmkunst in Venedig eventuell nicht ganz unvoreingenommen prämiert wurde.
Egal ob diese Geschichte nun stimmt oder nicht: Im Jahr 1947 fand das erste Festival in Cannes statt.
Selbstverständlich ist der oben gezeigte Palais des Festivals et des Congrès nicht der originale Austragungsort aus den Gründerjahren. Nachdem der Andrang zu den Filmfestspielen immer größer wurde, vollendete man 1982 dieses Multifunktionsgebäude mit angeschlossenem Casino. Wegen seiner doch etwas zu brutalen Optik bekam dieses sehr un-unaufällige Gebäude auch den Spitznamen „Der Bunker“.
Um die Stadt auch abseits ihrer Hauptsehenswürdigkeit zu huldigen, spazierten wir noch weiter zum Vieux Port um uns ein wenig die Schiffchen anzuschauen. Ich bin ja immer noch erstaunt, wie viele „normale“ Schiffe zwischen den Luxusyachten liegen. Wer denkt, dass der Club der Milliardäre nachts in Nacht-und-Nebelaktionen kleine Segel-Nusschalen versenkt um das Hafenbecken elitär zu halten, irrt total. Hier leben alle Geldbeutel-Klassen in absolut friedlicher Koexistenz.
Natürlich darf dennoch mit den Zähnen geknirscht werden, sobald man einen Hubschrauber sieht, der nach einem sehr steilen Sinkflug auf dem Helipad einer größeren Yacht aufsetzt. Manches Schiff leistet sich sogar gleich ein zweites Helipad.
So ein Verkehrsanschluss ist nicht jedem gegönnt.
Mit unserem Budget war an einen weiteren Heliflug nicht zu denken, aber ein Glück ist Sightseeing ja umsonst. Deswegen liefen wir nun die Croisette zum östlichsten Punkt weiter. Neben den obligatorischen Läden der oberen Budgetklasse sollte hier aber das Augenmerk auf dem gelben, feinen Sand gelegt werden. Irgendwie hatte Nizza bei der Strandvergabe wirklich großes Pech mit seinen grauen Kieselsteinen. Kein Wunder, dass der adlige Monsieur und seine Madame sich früher lieber in Cannes an den Strand gepackt hatten.
Zur Zeit der Filmfestspiele ist die Croisette der Hotspot schlechthin. Während sich der Großteil der Möchtegern-Starlets zum Schaulaufen vor den Fotografen in Szene setzt, haben die echten Stars eher Angst vor dem Stolpern. Ein Sturz auf der Croisette gilt gerade bei Schauspielerinnen in langen Kleidern als das Horror-Szenario von Cannes schlechthin.
An mehreren Stellen konnte ich mir dann das Schmunzeln einfach nicht verkneifen. Gerade in Deutschland hat man einen guten Eindruck, wie verschrieen die „Ballermänner“ auf Mallorca sind, obwohl es sich dabei nur um Abschnitte des Strandes mit zugehöriger Imbissbude handelt. Im mondänen Cannes findet man exakt das gleiche Prinzip, nur dass die Abschnitte hier nicht „Balneario“ heißen.
Et voilà, hier ein Foto vom Baller-Cannes 6 (Bitte laut aussprechen, sonst zündet der Gag nicht).
Leider hatte sich das Wetter am späten Nachmittag auf seiner grau-gräulichen Stufe festgefahren und gönnte uns keinen blauen Himmel mehr. Es hätte uns aber wirklich schlimmer treffen können, denn der Wetterfrosch hatte uns am Morgen sogar mit dem Risiko von Regen konfrontiert.
Wir entschieden uns, noch ein wenig durch den Park am Pointe Croisette direkt am östlichsten Zipfel der Prachtstraße zu spazieren und dann durch die Innenstadt zurück zum Bahnhof zu stiefeln.
Der Bahnhof will im Moment so überhaupt nicht zum Stadtbild einer Großstadt der Schönen und Reichen passen. Der kastige Komplex aus den 70ern bekommt im Moment allerdings ein umfassendes Redesign, welches ihn dann hoffentlich etwas besser in die Gesellschaft der umliegenden Gebäude integrieren wird. Es existieren sogar schon Pläne, ihn ähnlich wie die Gare de Monaco – Monte-Carlo unter die Erde zu legen.
Etwas günstiger, aber dafür auch mit etwas mehr Gerumpel und Gepolter ging es dann für uns mit der Regionalbahn Transport express régional zurück nach Nizza. Die Fahrzeit lag allerdings kaum über der des TGVs, der auf dieser kurzen Strecke seinen Geschwindigkeitsvorteil einfach nicht ausspielen kann.
Insgesamt war es ein sehr interessanter Ausflug nach Cannes, der unbedingt irgendwann einmal wiederholt werden muss. Gerade im Mai zur Filmfestspielzeit sollte hier nicht nur der Bär toben, sondern hoffentlich auch das Wetter etwas besser sein.
Die Stadt hat ansonsten voll überzeugt.
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