Von der Business Class auf den Jumpseat bei Air Dolomiti – Erstflug von München nach Bergamo
Dieser Tripreport dürfte so ziemlich alle meine Gewohnheiten an Bord eines Fluges auf dem Kopf stellen. Klar: Ein Erstlingsflug auf einer Strecke ist per se immer etwas besonderes. Wer jetzt aber erwartet, dass sich mein Highlight auf dem Hüpfer von München nach Bergamo auf das reine Anfliegen einer neuen Destination beschränkt der irrt gewaltig. Und das beste an der Sache: Nicht einmal ich hätte einen Tag vorher bzw. vor dem Durchqueren der Sicherheitskontrolle geglaubt, was mir an Bord passieren würde.
Der erste positive Schock kam beim Einchecken: Die LH-Buchungsklasse “I” hatte ich beim ersten Überfliegen meines E-Tix nicht richtig zuordnen können: Y, C, F sind gängige Begriffe, W und P sagen mir auch etwas. Aber beim Begriff “Business”, der mir beim Online Check-In entgegen grinste, kam wohl mehr als nur Freude auf.
Ich bitte an dieser Stelle vor allem die Vielflieger unter euch um Verzeihung. Ich schwöre hiermit hochheilig mich nur noch über die nächsten 5 Business-Tickets so sehr zu freuen und erst danach geschäftliche Routine zu heucheln.
Was macht man als allererstes, nachdem man sein erstes Biz-Ticket in den Händen halt? Nach dem ersten Teilen in sozialen Netzwerken plante ich den Besuch der LH-Business-Lounge ein. Der war auch bitter notwendig, da ein Frühstück vor dem Losfahren aus Augsburg aufgrund der frühen Uhrzeit wie ein Fremdkörper von meinem Körper abgestoßen worden wäre. Also nix wie rein in die heiligen Hallen (ihr musst mir die Freude einfach gönnen – ein gedankliches mit-den-Augen-Rollen sei an dieser Stelle dennoch jedem Leser gestattet).
Über das Frühstück in der Lounge kann ich wirklich nicht meckern! Ich bewundere zwar besonders die Transitpassgiere, die sich bereits in aller Herrgottsfrühe die ersten zwei Weißbiere gönnen. Allerdings würde ich dieses Verhalten in München auch durchaus als Respekt vor fremden Kulturen zählen lassen.
Danach ging’s ab in den unteren Bereich von Terminal 2, in dem bereits schon das Boarding kurz bevor stand. Gedanklich machte ich es mir schon einmal auf meinem 2er Sitz bequem – der Nebensitz der 2+2 bestuhlten Embraer 195 bleibt in der C selbstverständlich frei.
Aber natürlich kam alles anders als man denkt. Bereits vorher hatte ich angefragt, ob ein Besuch des Cockpits möglich ist. Was früher noch gängige Praxis und für so manche Cockpit-Crew willkommene Abwechslung war, ist seit 2001 zum Ding der annähernden Unmöglichkeit geworden. Dementsprechend hätten mich selbst fünf Minuten bei den Herrschaften von Sitz 0A und 0D inklusive dauerklickendem Auslöser sehr gefreut.
Mit diesem Ergebnis der Anfrage hatte aber selbst ich nicht gerechnet:
“Jo Phil, das mit dem Cockpit geht klar. Aber pass während des Fluges auf den Funk auf – du bist auf Hot-Mic. Das heißt, der Tower kann dich hören!”
Jumpseat, Jackpot!
Ich gebe offiziell zu, dass ich an dieser Stelle gar wusste, wie ich meine Emotionen ausdrücken sollte. Vorsichtig klappte ich den Jumpseat im Flightdeck herunter, der sich wirklich genau hinter dem Pedestral und der Cockpit-Tür befindet. Danach positiontiere ich die Kamera mit dem Weitwinkelobjektiv so, dass ich sowohl das Glareshield als auch die Welt da draußen gut auf dem Sucher hatte – und dann konnte es mit dem Flug meines Lebens los gehen.
Genau in der Mitte des Bildes seht ihr übrigens das Gebäude des neuen Satellitenterminals auf dem Münchner Flughafen. Da fehlt wirklich nicht mehr viel bis zur Fertigstellung.
Raus ging es in München über die 26L, woraufhin die Kerosin-Gesprächen im Cockpit beginnen konnten. Es stellte sich heraus, dass der Pilot ebenfalls begeisterter Blogger für Unterwasser-Fotografie war. Als er herausfand, dass ich schon ein paar Stunden im Airbus A320 Simulator geflogen war, stimmte die Chemie sofort. So fand die Visitenkarte meines Blogs sogar ihren Platz am Steuerhorn der Air Dolomiti-Maschine.
Leider waren auch dieses Mal die Alpen gut eingehüllt. Dafür ergab sich eine völlig neue Perspektive: Am Pilot vorbei aus der Seitenscheibe. Gut zu erkennen ist auch die Fensterbetätigung an der vorderen unteren Ecke. Im Gegensatz zu allen anderen Scheiben an Bord eines Flugzeuges sind diese Scheiben von innen zu öffnen. Dies dient aber weniger dazu, um sich am Schalter eines Drive-Ins ein Fast-Food Menü zu bestellen, sondern hauptsächlich als Fluchtweg.
Auf solche Bilder hatte ich natürlich gewartet: Kurven bieten einfach die besten Aussichten aus den vorderen Fenstern. Hier zu sehen ist eine der letzte Kurven zum Eindrehen auf das BGY-Funkfeuer direkt am Flughafen von Bergamo. Kommend von der Luftfahrtstraßen-Kreuzung LUSIL gab der Tower den direkten Anflug frei.
Bei Start und Landung ließ ich selbstverständlich die Videokamera laufen, so dass ich die Fotoausbeute etwas spärlich ist. Auch wenn ein Stativ im engen Cockpit die spätere Bearbeitung deutlich vereinfacht hätte, war dies in einer Embraer wegen der Platzverhältnisse ein Ding der Unmöglichkeit. Ich werde definitiv ein Video von den entscheidenden Phasen des Fluges nachlegen. Ich kann es selber kaum noch erwarten. Aber gebt mir ein bisschen Zeit.
Nachdem ich durch exessives Filmen und Fotografieren meine Speicherkarte schon in den ersten 50 Minuten einer zweitägigen Reise bereits zu 50% gefüllt hatte, verließ ich nach einem kräftigen Händeschütteln mit einem Dauergrinsen das Cockpit.
Auch wenn ich hiermit offiziell bei meinem ersten Business-Flug nur wenige Sekunden auf meinem Sitzplatz saß, war es wahrscheinlich der beste Flug meines Lebens.
Auf dem oberen Bild kann man schon sehr gut rechts neben dem Winglet die Stadt Bergamo erkennen. Auf dem Hügel befindet sich die historische Altstadt Città Alta.
Der ganze Reisebericht über die Stadt Bergamo folgt dann in den nächsten Tagen. Denn dieser Artikel muss defintiv mit einem Flugzeug-Bild enden. Was für ein Erlebnis! Was für ein Flug! Was für ein Tag!
Ich bedanke mich ganz herzlich für die Einladung von Air Dolimiti. Sämtliche Bilder sind keine Pressebilder, sondern wirklich meine eigenen Fotos.
Weitere Reiseberichte:
Jo Phil,
dann will ich auch mal offiziell posten.
Da hast Du mal wieder große Lust auf mehr gemacht, die beiden Piloten scheinen ja echt coole Typen gewesen zu sein. Das doch sehr bunte Lanyard des Cpt. irritiert mich jedoch etwas.
Da drängt sich natürlich mal wieder die Frage auf, warum die Möglichkeit eines Cockpitbesuches nicht auch für andere Passagiere wieder möglich ist. Liest man in einigen Luftfahrtforen, ist das im Ausland, sogar in den USA, durchaus kein Thema mehr.
Wie fandest Du die Atmosphäre in der Münchener LH-Lounge? Ein guter Bekannter hat mal die Lounges von LH in Frankfurt und München verglichen. Er favorisiert eindeutig die Räumlichkeiten in Frankfurt.
Freue mich auf den nächsten Teil des Berichtes.
LG
Stefan
@Stefan: Ja, gerade als Freund der Aviatik ist es doch sehr schade, dass der Cockpit-Besuch sehr restriktiv geworden ist. Selbst Crews bemängeln das teilweise. Umso cooler, wenn es dann trotzdem funktioniert.
Die Atmosphäre fand ich relativ gut und ruhig auch wenn mir (noch) Vergleichsmöglichkeiten fehlen.
Thematisch habe ich den Bericht mal an der Landung getrennt und werde mich dann im nächsten Post voll auf Bergamo und ein bisschen auf den Flughafen BGY konzentrieren.
LG Phil
Wie geil!!! Herzlichen Glückwunsch!:)
@Heiko: Danke dir. Ich wusste im ersten Moment echt nicht wie ich reagieren soll :) LG Phil
Moin,
ich war bei meinem ersten Flug auf dem JumpSeat auch begeistert und hatte zwei sehr nette Piloten. Bei mir stand es auch auf der Boardkarte=) War zwar nur nen kleiner AMS-MUC Hüpfer, aber bei bestem Sommerwetter.
Es ist übrigens durchaus Möglich im Cockpit zu fliegen, auch in den letzten Jahren. Hab schon öfter gesehen wie Leute nett gefragt haben und die Piloten diesse dann vorne haben mitfliegen lassen, dabei waren das def. keine Mitarbeiter.
Gruß
Christian
@Christian: Jump ist definitiv etwas geniales, aber auf der Bordkarte habe ich das noch nie gesehen. Ich hätte jetzt eher auf ne spezielle Karte für Dead-Head Personal getippt.
Ich persönlich hatte bisher übrigens noch nie einen dritten Mann im Flightdeck gesehen. Im Gegensatz habe ich mich immer gewundert, dass Piloten ganz normal hinten sitzen und nicht vorne Platz nehmen. :D
LG Phil
Das ganze sieht dann so aus: (ich hoffe man kann Bilder einbinden)
@Christian: Leider sehe ich kein Bild. Schreib doch einfach die URL rein!
Mal sehen obs jetzt klappt=)
http://s7.directupload.net/images/140607/jeppybyb.jpg
Super, jetzt sehe ich das Bild! Damit wäre jetzt aber auch geklärt, das der Jumpseat offiziell zur Eco gehört.
LG Phil
Mir war es vor Jahren (genauer Jahrzehnten :-( ) zuletzt vergönnt, auf dem Observer-Seat Platz zu nehmen. Auch wenn es schon so lange her ist, kann ich mich noch gut an den Flug DUS-MUC (Riem!) in einer LH Boeing 727 erinnern. Es war einfach geil! Ich würde auch sofort einen Business Class dafür hergeben. Wenn ich recht überlege würde ich sogar auf einen First Class Seat verzichten… :-D
@Ingo: Selbst einen F-Seat würde ich gegen einen Jump tauschen ;)
Wobei ich deine Statistik auch bei mir einen leichten “Haben-Will”-Faktor haben. Bei EDDM-Riem bin ich definitiv zu spät dran, aber die 727 wäre noch so ein Traum. Bei DC10 bin ich ja leider schon viel zu spät.
LG Phil
Darf ich ehrlich sein? Neid :-)
Aber ich gönne es dir, genau das wäre wirklich auch ein Traum von mir.
Freu mich auf das Video.
Dafür kann ich ne DC10 von LH und ne 727 von Condor und von Delta (nicht auf dem Jump) vorweisen…
Und den guten alten A300-B4 ;-)
LG Tom
@Tom: Also bei deiner Bilanz kommt da aber auch bei mir ein wenig Neid auf. Gerade die DC10 dürfte nach der Ausflottung bei Biman mittlerweile ein Ding der Unmöglichkeit geworden sein. Und auch für eine 727 müsste ich mich wohl sehr weit auf die Reise begeben, um die noch zu erwischen.
Am Video bin ich dran!
LG Phil
Stimmt, DC10 wird schwierig, B727 könnte sicher noch irgendwo in einem non-industrial Land fliegen. Was ich an der Maschine ja so faszinierend fand…innen war es (im Gegensatz zu aussen!!!) durch die Gondeltriebwerke irgendwie leiser als auf anderen Carrieren. Oder sind das nur verblendete Kindheitserinnerungen?
Ach ja die gute Lockheed Tristar 1011-500 kann ich auch noch anbieten – der erste Langstreckenflug….
@Tom: Wo du gerade Gondel-Triebwerke ansprichst: In ein paar Tagen werde ich mit einer B717 unterwegs sein. Die ist zwar nicht ganz so historisch wie die gute 727, aber immerhin hat die die Triebwerke auch noch am hinteren Ende.
Die TriStar tut mir hingegen etwas leid – da wurden einige viel zu früh ausgemustert und wieder verschrottet.
LG Phil
Wie geil ist das denn bitte? Da hätte ich auch sehr gerne den Luxus eines Business-Sitzes gegen die Enge des Cockpits getauscht! :-)
@Jessi: Oh ja! Ich habe gehört, dass bei dir der Pilotenschein noch auf der Wunschliste steht. Dann kannst du mich ja irgendwann im Cockpit mitnehmen.
LG
Sollte ich es schaffen: Auf jeden Fall gerne! :-)
@Jessi: So ganz billig ist der Spaß ja nicht wirklich. Ich habe mich auch mal ein bisschen informiert und bin zum Schluss gekommen, dass maximal eine Ultraleicht-Lizenz für mich in Frage kommen könnte. Allerdings ist selbst der zusammen mit Stunden zum Scheinerhalt nicht gerade günstig.
LG Phil
Klasse Bericht und sehr spannend geschrieben und natürlich ein klasse Erlebnis ;) Auch die anderen Berichte sind Top -> weiter So :D
Viele Grüsse
Michael
@Michael: Vielen Dank für dein Lob. Ich gebe mein Bestes um auch in Zukunft mehr Berichte schreiben zu können :)
LG Phil
Coole Sache!!! Ich gönn dir den Spaß von Herzen.
Liebe Grüße
Christina
Hallo Phil,
Zitat: „Im Gegensatz habe ich mich immer gewundert, dass Piloten ganz normal hinten sitzen und nicht vorne Platz nehmen.“
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Sehr schöner Bericht!
Piloten müssen des Öfteren „proceden“.
Deshalb fliegen sie ganz normal wie Paxe hinten in der Kabine mit.
Manche aber auch schonmal vorne bei den Kollegen auf dem Jumpseat.
Gruß
Stefan
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