Zu Beginn dieses Tripreports noch einmal die Vorgeschichte in aller Kürze: Eigentlich sollte es mit der Fähre von Kiel nach Göteborg gehen und dann zurück mit Wizzair über Danzig nach Lübeck. Kurz nach der Buchung der rosa/lila-Flüge kam dann die Ernüchterung: Auf der Fähre waren alle günstigen Schlafplätze ausverkauft und nur noch Kabinen >100€ verfügbar. Als Alternative für die Hinreise waren schnell Flüge mit Ryanair mit einem Overnight-Stop in London gefunden.
Doch kurz vor Abflug wurde die Verbindung Göteborg-Danzig von Wizzair wahrscheinlich wegen schlechter Buchungszahlen eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt spielte ich wirklich mit dem Gedanken den ganzen Trip einfach ausfallen zu lassen. Doch für günstige 10€ bot sich dann der gleiche Rück- wie Hinweg mit Ryanair über London an, so dass das endgültige Routing dann folgendermaßen aussah: LBC – STN – GSE – STN – LBC.
Komplett anders als eigentlich geplant, aber immerhin: Ich komme nach Göteborg!
Freitag nachmittag. Der Schneeregen über Norddeutschland könnte kein deutlicheres Zeichen sein: Ich muss hier weg, und zwar ganz schnell.
Und so fuhr ich nachmittags gemütlich nach Lübeck um einen Parktip auszuprobieren. Statt wie letztes Mal auf P3 für 3 Tage 22€ für einen Parkplatz am anderen Ende der Startbahn zu zahlen, stellte ich mein Auto auf dem P&R Parkplatz „St. Hubertus“ kostenlos ab. Mit dem Bus der Linie 6 geht es dann für gerade mal 1,55€ in zwei Minuten zum Flughafen. So fängt das Wochenende gut an =)
Auf den Bierzeltairport Lübeck war ich bereits seelisch und moralisch vorbereitet, allerdings war ich nicht in der Lage das kostenlose WLAN zu finden, dass draußen angepriesen wird. Egal, mein Flieger nach London stieg überpünktlich in die Wolken und brachte mich im Dunklen auf die Insel. Der Flug verlief so weit ereignislos.
Und hier war sie nun: Meine erste Nacht an einem Flughafen.
Ursprünglich hatte ich vor, einen kleinen Spaziergang zur Nachbarstadt Bishop’s Stortford zu machen. Nach 2 Kilometern musste ich aber einsehen, dass ein großer Highway genau zwischen Flughafen und Stadt verläuft und die Sache nachts um 01:00 doch ein wenig zu gefährlich ist. Und so gesellte ich mich zu Gleichgesinnten zurück an den Flughafen, die teilweise erschreckend professionell ihr persönliches Nachtlager aufschlugen. So mancher Backpacker verschanzte sich regelrecht zwischen Isomatte, Schlafsack und Rucksack.
Ich konnte mir eine von vier Nischen unterhalb der Stützpfeiler sichern, in denen es sich eigentlich ganz gut ausruhen ließ.
Mein Wecker riss mich irgendwann gegen 05:00 Uhr aus einem doch recht angenehmen Schlaf, eine Nacht auf einem kalten Steinboden hatte ich mir wirklich ungemütlicher vorgestellt.
Mit dem Peoplemover in Stansted ging es dann zum Gate für meinen Flug nach Göteborg. Ein Glück erwischte ich einen Fensterplatz, denn diese Fotos hätte ich ungern verpasst:
Ab Dänemark gab es keine einzige Wolke mehr am Himmel und so landeten wir bei traumhaftem Sonnenschein am Göteborg City Airport.
Über den Transfer vom Flughafen in die Innenstadt kann man wirklich nicht meckern: Für 110 SEK (Kosten für den Roundtrip) geht’s in 25 Minuten direkt zum Nils Ericson Terminal in die Stadt. Aus der Website des Betreibers Flygbussarna (www.flybussarna.se) wurde ich nicht so wirklich schlau, der Bus fährt auf jeden Fall nach jedem Flug in die City und fährt immer zwei Stunden vor dem geplanten Abflug zurück zum Flughafen.
Wer erstmal seine Proviante aufstocken möchte, dem kann ich das „Nordstans affärscentrum“ direkt gegenüber des Terminals empfehlen. Beim örtlichen McDonald’s fand ich ein kostenloses WLAN mit dem ich erstmal nach Hause skypte, bevor dann das große Sightseeing starten konnte.
Unweit der zentralen Brücke liegt der kleine Hafen Lilla Bommen, in dem der größte Windjammer Skandinaviens „Viking“ liegt.
Anscheinend haben die Skandinavier einen großen Drang danach, Operngebäude direkt am Hafen zu bauen. Genauso wie in Oslo hat auch die Oper in Göteborg (Göteborgsoperaen) ein ganz extravagantes Aussehen.
Bei einem solchen Wetter macht das Schlendern durch die Stadt doch gleich viel mehr Spaß. Geht man die Östra Hahmgatan weiter nach Süden kommt man auf den Gustavs Adolfs Torg.
Straßenbahn-Fans kommen in Schweden nur in Norrköpping und Göteborg auf ihre Kosten: In allen anderen Städten wurden sie abgeschafft und durch Busse ersetzt. Wirklich schade, denn die vielen unterschiedlichen weiß-blauen Trams geben der City ein ganz eigenes Flair.
Ebenfalls sehenswert ist der Göteplatsen, ein Platz an dem sich sowohl die Konzerthalle, das Kunstmuseum, das Stadttheater und die Bücherei der Stadt befinden. Gekrönt wird das ganze noch durch eine acht Meter hohe Statue von Poseidon in der Mitte eines Brunnen. Dies alles wurde 1923 zur Weltausstellung erbaut.
Nur einen Steinwurf vom Götaplatsen entfernt befindet sich der größte Vergnügungspark in Nordeuropa mitten in der Stadt: Der Liseberg. Eigentlich hatte ich vor den großen Turm zu besteigen und ein paar schönes Fotos von oben zu schießen…
Hätte ich mal bloß vorher auf die Webseite geschaut: Die Saison geht erst ab dem 24. April los, somit stand ich vor verschlossenen Türen.
Direkt neben dem Park befindet sich das Wissenschaftsmuseum „Universeum“. Laut eines Kommilitonen soll die Ausstellung richtig gut sein und der Besuch sich lohnen. Ich ließ es aber bleiben, denn bezüglich eines Museumsbesuch hatte ich noch etwas anderes geplant. Aber dazu später mehr.
Da ich mein „Foto von oben“ nicht bekommen hatte, lief ich etwas geknickt in Richtung des „Slottskogen“, einem großen Park im Westen der Stadt als ich auf einmal unerwartet direkt auf den Skansen Kronan zu lief.
Erst später fand ich heraus, dass ich sich hierbei um eine Festung handelt, die im 17. Jahrhundert zur Abwehr der Dänen gebaut wurde. Bis 2004 wurde sie als Militärmuseum genutzt, heute kann man sie für Partys mieten. Was für mich aber viel wichtiger war: Sie liegt oberhalb der Stadt.
Leider waren der serpentinenartige Weg nach oben spiegelglatt vereist, so dass ich mich teilweise auf allen Vieren am Geländer hoch ziehen musste. Aber ich bekam endlich meine Fotos von oben:
Beim ebenso abenteuerlichen Abstieg riss ich mir dann noch einen Finger an einem Dornenbusch auf. Hachja, was tut man nicht alles für Fotos …
Nachdem ich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte konnte ich endlich meine Tour fortsetzen: Ich wollte ja zum Slottskogen.
Ich finde es immer wieder faszinierend wie schnell man in Parks vergessen kann, dass man eigentlich mitten in einer Großstadt (in diesem Fall sogar die zweitgrößte Stadt Schwedens) ist. Gut, das mag zum einen sicher auch an der Größe und Einwohnerzahl von Göteborg liegen (~800.000 Seelen) aber mit Sicherheit auch an der Größe des Slottskogens. In der Mitte befindet sich auf einem Hügel ein großer, frei zugänglicher Zoo mit einigen sehenswerten Exoten wie Seehunden und sogar Elche.
Mittlerweile war es 14:00 Uhr geworden, geplante Rückflugszeit nach London war um 21:25.
Zeit für eine Entscheidung. Entweder würde ich jetzt noch einmal ganz gemütlich durch die Stadt gehen und mir richtig viel Zeit lassen … oder … ich würde zum Aeroseum aufbrechen.
Zur Erklärung: Bis 2002 wurde der Göteborg City Airport militärisch genutzt. Schon seit dem zweiten Weltkrieg waren hier Flugzeuge stationiert, zuletzt sollten im Kalten Krieg Jagdflugzeuge die Großstadt vor russischen Atombombenangriffen bewahren. Zum Schutz der Staffel wurden Stollen unter die Erde getrieben um so unterirdisch bis zu 14 Flugzeuge einsatzbereit zu halten.
Und das Beste ist: Heute kann man den gesamten Komplex als Museum besichtigen.
In meinen Ohren klang das so interessant, dass ich meine Stadtbesichtigung hier abbrach und sofort anfing den Busfahrplan zu studieren. Zwar liegt das Aeroseum direkt neben dem City Airport, aber dummerweise „auf der anderen Seite“ der Start-/Landebahn. Zu Fuß müsste man geschätzte 7 Kilometer um das ganze Areal herum laufen.
Mein Plan sah es vor mit dem Bus nach Norden zu fahren um dann irgendwann in die Linie 35 einzusteigen und nach Granhäll zu fahren.
Fahrkarten für den Nahverkehr kauft man in Göteborg per SMS und bekommt das Ticket aufs Handy geschickt. Theoretisch eine super Idee, mit meinen deutschen Handy wollte das aber partout nicht funktionieren. Und so stieg ich immer in einen Bus ein, zeigte dem Fahrer die deutsche Fehlermeldung auf meinen Handy, erntete einen bemitleidenden Blick und wurde fast immer durch gewunken. Ein Kontrolleur klopfte mir sogar auf die Schulter und meinte nur „At least, you’ve tried it. Good boy!“
Und so kam ich dann eine gute Stunde später an mein Ziel:
Begrüßt wird man von einer Saab Draken, vorbei an einer halben Mil-Mi 2 und dann hinein durch das schwere Panzertor in den halbkreisförmigen Stollen, der zu den unterirdischen Hangars führt.
Jedem, der sich auch nur ein bisschen für Flugzeuge interessiert, kann ich diese Museum wärmstens ans Herz legen. Die meisten Exponate sind Saab Viggen und Saab Draken, in allen erdenklichen Zuständen: Komplett, halb, aufgeschnitten oder zum Flugsimulator umgebaut. Bei einer Viggen wurde sogar das Triebwerk entfernt und man darf im Inneren herum klettern, bei fast allen Modellen darf man sich ohne Nachfrage ins Cockpit setzen.
In einem kleinen Teil des Hangars kann man dann noch den Restaurateuren bei der Arbeit zuschauen: Einige Modelle sehen aus, als hätte man sie gerade aus dem Fluß gefischt, bei anderen kann man schon erkennen, dass nicht mehr viel zur Fertigstellung fehlt.
Gut, dass ich mich entschieden hatte, hierher zu kommen. Jetzt musste ich nur noch zurück zum Flughafen kommen um rechtzeitig meinen Flieger zu erwischen.
Eigentlich wollte ich mir wieder den 35er Bus schnappen, nach Säve fahren und dort dann in die Linie 36 umzusteigen und zum Flughafen zu düsen.
Eigentlich… *grrr*
Als nach 30 Minuten Warterei in Säve die Sonne schon unterging und noch immer kein Bus in Sicht war, wurde ich leicht nervös. Als nächstes versuchte ich dann per Anhalter zum Flughafen zu kommen, aber irgendwie wollte das auch nicht funktionieren.
Nach weiteren fünf Minuten resignierte ich dann, packte das GPS aus und stapfte etwa 5 Kilometer im Eiltempo durch den Schnee. Hilf ja nix ^^
Dank meines Pessimismus hatte ich mir ein großzügiges Zeitpolster eingeplant (nicht, dass ich mit so etwas gerechnet hätte…) und kam rechtzeitig am Flughafen an: Ein wirklich winziger Airport mit gerade mal vier Schaltern, einem einzigen Gate aber sehr bequemen Couchen zum Warten.
Vom Flug nach Stansted bekam ich gerade noch den Start mit, danach schlief ich bis zur Landung durch.
Dank der Annullierung von Wizzair hatte ich nun noch eine Nacht in Stansted vor mir, der ich jetzt aber schon mit viel mehr Routine entgegen blickte. Wie ein alter Hase baute ich mir mein kleines Lager auf und döste gemütlich bis morgens um 04:00 Uhr.
Zurück nach Lübeck ging es dann mit einer alten Bekannten: Der EI-DCL in der Dreamliner-Lackierung. Mit diesem Vogel ging es vor einem dreiviertel Jahr von Girona zurück nach Memmingen.
Bei herrlichem Sonnenschein, tiefen Temperaturen und ekelhaft zugefrorenen Autoscheiben landete ich wieder in Lübeck, investierte noch einmal 1,55€ in den Bus und fuhr glücklich und ziemlich fertig nach Hause.
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Als Fazit muss ich im Nachhinein Wizzair dankbar sein, dass sie die Verbindung GSE-GDN gecancelt haben. So hatte ich nämlich 5 Stunden mehr Zeit in Schweden und habe es so noch zum Aeroseum geschafft. Tja, unverhofft kommt oft ^^
Aber auch ohne diesen Besuch kann ich Göteborg ohne Einschränkungen weiter empfehlen: Eine süße, kleine Großstadt mit einzigartigem Flair und schöner Architektur. Gerade in den Parks kann man wahrscheinlich Stunden verbringen und laut Wikipedia soll auch die Stadt über eine sehr ausgeprägte Kaffeehauskultur verfügen. Beide Daumen hoch.