Reisebericht Ungarn Tag 1 – Flug von München nach Budapest, Busfahrt nach Balatonfüred am Plattensee, Rutschen im Annagora Aquapark & Abendessen in Dörgicse
Wenn ich euch jetzt sage, dass ich von meiner Haustüre in Augsburg bis zum Münchner Flughafen 1200 Kilometer gefahren bin, würdet ihr wahrscheinlich ungläubig den Kopf schütteln und schwer an meinem Geisteszustand zweifeln. Es stimmt aber trotzdem.
Wie man das Ganze schafft? Relativ easy: Man fährt einfach über Berlin.
Der Abflug meines Lufthansajets sollte um 07:00 Uhr morgens sein, ich hatte mich demnach schon auf relativ frühes Ende meiner Nacht eingestellt. Bis etwa zur Mittagszeit am Vortag gab es keinen Grund zur Eile – bis sich auf einmal ein irrsinnig wichtiger Termin ergab. Eine riesiges Chance tat sich auf – allerdings müsste ich dafür um 20:00 Uhr in Berlin sein.
Binnen Sekunden ging ich im Kopf die verschiedenen Möglichkeiten durch: Fliegen? Völliger Quatsch – Bahn? Keine Chance rechtzeitig zum Flughafen zu kommen – Auto? Könnte klappen. Fieberhaft teilte ich Kilometerangaben durch Durchschnittsgeschwindigkeiten, plante Staus dank des Obama-Besuches in der Hauptstadt ein und versuchte herauszufinden, welche Straßen aufgrund seines Besuches gesperrt waren und packte nebenbei in Windeseile meinen Koffer.
40 Minuten später lief der Wagen bereits auf Hochtouren Richtung Norden. Solange ich genügend Diesel im Tank hatte und ich mich nicht wegen der #Neuland-Rede im Radio totlachen würde, könnte der Plan haarscharf aufgehen.
Unglaublich aber wahr: Mein Plan funktionierte fast minutengenau wie berechnet. Natürlich blieb bei diesem engen Timing keine Zeit für’s Schlafen, so dass ich mir vorsorglich ein paar Energydrinks und Espressos gönnte. Leider hatte die absolute Abwesenheit von Müdigkeit einen entscheidenden Nachteil: Mein Magen fuhr Achterbahn, so dass ich teilweise nicht genau sagen konnte, was mich mehr wach hielt: Das Koffein in meiner Blutbahn oder das verdammt flaue Gefühl im Magen.
Um etwa 05:00 Uhr erreichte ich den Zentralbereich des Münchner Flughafens, um dort erst einmal im McDonald’s zu frühstücken. Der Bestellautomat fraß zwar prompt meine Kreditkarte und gab sie erst nach mehreren Reboot-Vorgängen seitens des sichtlich bemühten Mitarbeiters frei, aber irgendwie konnte mich das schon nicht mehr schocken: Mein absolut tollkühner Plan war aufgegangen, und ich hatte es tatsächlich rechtzeitig zum Flughafen geschafft.
Normalerweise freue ich mich immer wie ein Schnitzel vom Terminal 2 mit Lufthansa abzufliegen, da hier die kostenlosen Kaffeeautomaten herumstehen. Da ich und mein Bauch aber gänzlich die Schnauze voll von diesem Gebräu hatten, würdigte ich die Geräte keines Blickes und besichtigte stattdessen die neu-installierten Schlafkammern.
Was hätte ich dafür gegeben, mich dort einfach ein paar Stunden auf’s Ohr zu hauen.
Auch wenn mittlerweile meine Augenlider bleischwer waren, konnte ich mich dennoch auf eine Premiere freuen. Zum allerersten Mal würde ich mit einer Embraer 190 fliegen. Auch die Brasilianer mischen kräftig im Flugzeugbausegment mit und haben mit diesem 2-2 bestuhlten Jet für Mittelstrecken ein echtes Raumwunder geschaffen. Besonders die Fenster besitzen für eine solche Miniatur-Angströhre immense Dimensionen.
Vom kurzweiligen Flug nach Budapest bekam ich bis auf den Pushback so gut wie nichts mit. Meine Augen fielen wie von selbst zu und selbst die Getränkerunde und einen eventuellen Snack verschlief ich komplett. Erst bei den Vorbereitungen auf die Landung wachte ich auf und erhaschte durch’s Fenster einen ersten Blick auf Budapest.
Hey, die Stadt macht ‘nen guten Eindruck! Budapest – in zwei Tagen sehen wir uns.
In Ungarn angekommen lernte ich die illustre Truppe kennen, mit denen ich die nächsten Tagen unterwegs sein würde. Insgesamt waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen von begeisterten Reisebloggern, von denen ich einige schon von diversen Treffen (RBCGN I, RBCGN II, RBMUC) kannte oder zumindest über ihre Blogs bzw. Twitter vorher kennengelernt hatte.
Damit ihr in den folgenden Zeilen auch wisst, von wem ich rede, gibt’s hier schon einmal das obligatorische Gruppenfoto aus Budapest:
Hinten: Dietmar (dietmardenger.blogspot.de), Hubert (travellerblog.eu), Karl-Heinz (blog.liebhaberreisen.de), Angelika (nomadearth.com), Nina (bettentdecker.blogspot.de), Nicole (unterwegsunddaheim.de)
Vorne: Bernadett, Eva, Ich, Frau Dannheimer (talk-around-the-world.com) und Ingo (reise-wahnsinn.de)
Bevor wir allerdings die ungarische Haupstadt unsicher machen würden, stand uns noch ein kleiner Bustransfer bevor. Unsere Reise sollte nämlich an dem ungarischen Reiseziel schlechthin beginnen: Am Plattensee, der hier unter dem Namen Balaton bekannt ist.
Leider reichte die Zeit nicht mehr um ein Areal des Budapest Ferenc Liszt International Airport zu besichtigen, auf dem jede Menge historische Flugzeuge vor sich hin rosteten. Somit blieb mir nur ein schneller Schuss aus dem Fenster um diese Ilyushin Il-18 von Malev abzulichten.
Aber zurück von aviatischem Altmetall zu der herrlichen Landschaft von West-Ungarn mit dem größten Binnensee von Mitteleuropa (Thx Ingo!). Unser Ziel war die Stadt Balatonfüred am Nordufer, die als Hauptort des florierenden Tourismus dieser Region angesehen werden kann. Die Zahlen muss man sich wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen: Pro Jahr verbringen hier über eine Million Touristen ihren Urlaub mit insgesamt mehr als 4 Millionen Übernachtungen. Fast ein Viertel davon sind Deutsche.
Die Schönheit des Sees ist mit Sicherheit ein Grund für den ausgeprägten Tourismus in dieser Region. Ein weiterer Punkt in Sachen Attraktivität dürfte aber auch die Tatsache sein, dass der Plattensee sich in den Zeiten des Kalten Krieges zu einem Deutsch-Deutschen Treffpunkt entwickelte. Kein (Urlaubs-)Ziel war sowohl für Bewohner der BRD und auch der DDR so unproblematisch zu bereisen wie der Balaton. Hier trafen sich auseinandergerissene Familien und Freunde. Manchen gelang sogar über diesen Weg die Flucht in den Westen.
Wer hätte gedacht, dass eine Tourismusregion gerade wegen des Wiedersehens berühmt und beliebt werden könnte?
Kommen wir nun aber zu einem Wiedersehen von meinem Magen und flüssiger bzw. fester Nahrung. Dachte ich bisher an das Wort Balaton hatte ich eher ein Wein als einen See vor Augen. Und natürlich kommt die Assoziation nicht von ungefähr, denn bereits der römische Kaiser Marcus Aurelius Probus fand heraus, dass sich dieser Ort hervorragend für den Weinanbau eignete. Und bis heute kenne ich niemanden, der ihn in diesem Fakt widersprechen würde.
Passend zu einem kleinen Mittagessen durften wir die kühle Luft des frisch renovierten Weinkellers des Szent Donat Pince Csopak besichtigen. Nehmt es mir nicht übel, aber bei der Wissenschaft des Weinanbaus ist sprichwörtlich der Kelch an mir vorbei gegangen. Dafür bot die Gruft geniale Bedingungen für improvisierte Langzeitaufnahmen mit provisorisch auf Weinfässer aufgelegten Spiegelreflexkameras. Vom Wein hat der Phil wenig Ahnung, beim Fotografieren sieht das schon ganz anders aus. Et voilà:
Beim Blick auf das Thermometer konnte ich meine Sympathie für Klimaanlagen wieder verstehen: Bei fast 36°C zerfloss ich sprichwörtlich und wäre am liebsten sofort in den Plattensee gehüpft. Leider weist dieser eine verdammt geringe Tiefe auf, so dass man an manchen Stellen mehrere hundert Meter in den See spazieren kann und immer noch immer mit der Hüfte oberhalb der Wasserlinie liegt.
Gerade das Rutschen in solchen Gebieten kann durch die Verbindung von niedriger Wassertiefe und schmerzempfindlichen Steißbein einem den Tag derart versauen, so dass wir lieber in den Annagora Aquapark marschierten.
Halleluja! Ich glaube ich hatte schon seit Ewigkeiten keinen solchen Rutschmarathon mehr hingelegt, wie an diesem Tag. Völlig hin und weg von der Auswahl aus High-Speed-Rutschen, Rutschen mit kleinen Flug-Phasen, Kessel oder Etappen-Rutschen donnerte ich eine Röhre nach der anderen herunter. Dennoch eine Warnung an alle Perfektionisten: Die berühmte Dreipunkt-Technik kann bei hohen Geschwindigkeiten zu fiesen Abschürfungen an den Ellenbogen führen. *aua*
Auch wenn ich an dieser Stelle beschämend feststellen musste, dass ich eigentlich sowohl von Balatonfüred bzw. den Plattensee selbst noch nichts gesehen hatte, genoss ich diesen Moment total. Was muss ich nur für ein Kulturbanause sein, dass ich mir zu diesem Zeitpunkt wünschte, ich könnte einfach die restlichen vier Tage weiterhin bei den Rutschen bzw. im Wellenbad bleiben. Schlimm, schlimm, schlimm …
Ein Glück wurde ich durch die fortschreitende Zeit und latent angewandten Gruppenzwang davon überzeugt, endlich die ungarische Landschaft zu würdigen. Abends ging es nach Dörgicse, einen kleinen Ort im Hinterland etwa 4 Kilometer vom See und 20 Kilometer von Balatonfüred entfernt. Dort empfing uns das Sarffy Gasthaus.
Für landlebenliebende Zeitgenossen dürfte eine solche Finca sicher ein ungeheuer entspannter Ort zum Relaxen sein. Gerade wer Ruhe und Inspiration sucht oder ein Buch schreiben möchte, könnte an einem solchen Ort sicher fündig werden.
Ich persönlich stehe solchen Unterkünften noch etwas skeptisch gegenüber. Bedingt durch die Lage ist man während des gesamten Urlaubes entweder auf einen Mietwagen angewiesen oder man entschließt sich zum Dasein als Eremit. Selbst die 4,4 Kilometer oneway zum Badeort Balatonakali spaziert man nicht mal eben schnell.
Anyway, wir hatten Hunger.
Und hier konnte der Patron des Hauses mehr als punkten. Im eigenen Ofen brachte er uns die Kunst des Pizzabackens etwas näher. Besonders deutlich ging er dabei auf den Unterschied zwischen italienischer Pizza mit Tomatensauce als Untergrund und dem ungarischen Pendant “Langos” (bei der ungarischen Aussprache werden grundsätzlich fast alle s durch ausladende sssssschhhhhh ersetzt) mit Sauerrahm als Unterlage erklärt.
Da an mir als technikbegeisteter Ingenieur definitiv kein Sternekoch verloren gegangen ist, freute ich mich zwar über soviel Details zum nationalen Leibgericht, konnte ich mich allerdings nicht wirklich zum selberbacken aufraffen. Einzig bei der Formgestaltung gingen bei mir die Pferde durch.
Und so gestaltete ich an diesem Abend die erste Twitter-Vögelchen-Pizza. Natürlich passend zu unserem Hashtag #RBHUN:
Am ersten Tag konnte ich es eigentlich kaum glauben, dass mein vollkommen bescheuerter Anfahrtsweg überhaupt geklappt hatte und ich es tatsächlich nach Ungarn und sogar an den Plattensee geschafft hatte.
Auch wenn die Müdigkeit mich an mehreren Stellen des Abends fast im Stehen einschlafen ließ, freute ich mich total auf die kommenden Tage.
Freut euch schon mal auf die nächsten Blogposts über Ungarn!
Mmmh. Ich glaube Du warst auf der Busfahrt zum Balaton wirklich nicht ganz wach. Du hast den See nämlich größer gemacht, als er ist: Der Balaton ist “nur” der größte Binnensee Europas, nicht der Welt. Denn wesentlich größer als der Balaton sind Kaspisches Meer, Lake Superior, Viktoriasee…
Anyway. Nicht ganz unerwähnt lassen möchte ich, dass die Embraer E-Jets nicht nur relativ groß sind, sondern auch mal in vernünftiger Höhe montiert sind, so dass man hinterher nicht mit Nackenstarre aussteigen muss.
Das aviatische Altmetall am BUD schnappen wir uns beim nächsten Besuch, oder?
@Ingo: Uahhh!! Damn, das hätte mir ja schon beim Schreiben auffallen müssen. Den Fehler fixe ich mal gleich.
Was den Schrottplatz in BUD angeht, werden wir natürlich beim nächsten Mal in feinster Fotomanier zuschlagen. Wobei wir dafür vielleicht gleich ‘nen halben Tag einplanen sollten. Vielleicht finden wir ja sogar noch ‘nen alten Malev-Veteran, der uns mal die Mühlen von innen zeigt.
CU phil
Welchen Kreditkartenanbieter kannst du den reisetechnisch empfehlen?
Pingback: Reisebericht Ungarn Tag 2 – Mit dem Speedboat bei Sonnenuntergang über die Donau /// killerwal.com | Der Reiseblog für den günstigen Urlaub
@Toni: Gebührenfrei Mastercard Gold, damit kommst du eindeutig am günstigen weg. Sogar keine “Fremdwährungsgebühr”.
Ha ha haaaaaa :) Wie geil ist denn der Twitter-Pizza-Vogel?! Lass dir den patentieren :) Hast du denn auch Palatschinken gegessen (ich hoffe das schreibt man so)? Meine Kindheitserinnerung an Ungarn.
Sehr cool auch die napcabs am Flughafen. Was es nicht alles gibt. Früher hat man noch zusammengerollt auf vier Sitzen gepennt!
Aber warum gibt es keine Live-rutsche-Fotos? Du brauchst ne Gopro!
Sonst sehr schöne Bilder! Gefallen mir.
Liebe Grüße
Christina
@Christina: Jaja, ich brauche dringend eine GoPro. Bei den vielen Rutschen hätte ich schon alleine daraus ein eignes Video schneiden können.
Die Twitter-Pizza habe ich übrigens ohne Belag verputzt. Aber sie hat trotzdem geschmeckt.
LG Phil
Pingback: Reisebericht Ungarn: Die klasische Reise zum Plattensee und nach Budapest /// killerwal.com | Der Reiseblog für den günstigen Urlaub