Ein bisschen verwundert bin ich schon, denn trotz der Eröffnung der Strecke Memmingen – Kiew am 7. August 2009 habe ich bis jetzt noch keinen einzigen Tripreport von dieser Strecke gefunden. Woran das genau liegt, ist mir eigentlich ziemlich egal, denn ab jetzt gibt es mal mindestens einen. Denn durch eine -20% Rabattaktion angelockt, buchten Conny und ich einen Trip im Oktober nach Kiew.
Die Flugzeiten sind zwar vom Tagesrand meilenweit entfernt, davor konnten wir wenigstens ganz bequem ausschlafen. Da ein Online-Checkin bei uns noch nicht möglich war, erschienen wir ganze zwei Stunden vor dem Abflug in Memmingen. Obwohl die Sommerferien schon lange vorbei waren, konnten wir uns gerade noch einen der letzten zwei Parkplätze auf P4 sichern. Neu ist übrigens der Hinweis, dass die Langzeitparkplätze nur saisonal geöffnet sind. Macht der Flughafen etwa im Sommer die günstigen Parkplätze dicht, um die Leute auf den teueren P2 zu zwingen? *tz tz tz*
Absolutes Novum war für uns der Abflug vom oberen Stockwerk. Seit unseren Trips nach London wurden sämtliche Non-Schengen Flüge an drei Gates im zweiten Stock ausgelagert. Am Nachbargate machte sich gerade eine Germania-Maschine nach Rhodos auf den Weg.
Das Flugticket wurde seinem Namen übrigens nicht wirklich gerecht. Jeder Fluggast bekam einen schlecht kopierten Schmierzettel mit händisch aufgeschriebener Flugnummer in die Hand gedrückt. Selbst den Namen des Fluggastes hat man sich gespart.
Der Airbus schwebte pünktlich ein, auf den Fotos kann man übrigens das Mistwetter im Allgäu erahnen. Der Wetterfrosch hatte zwar im Vorhinein immer mal wieder seine Meinung geändert, das Wetter in Kiew sollte aber deutlich besser werden.
Von meinem Flug nach Danzig hatte ich die A320er von Wizzair als ziemlich unbequem in Erinnerung. Entweder hatte ich mich damals getäuscht oder aber die Bestuhlung von Wizzair Ukraine ist deutlich menschenfreundlicher. Der Flug war richtig angenehm und auch die fehlende Beschallung durch Werbung ließ mich im Gegensatz zu Ryanair sogar ein bisschen schlummern.
Bei der Ankunft am Flughafen Boryspil zeigte sich leider der Himmel von seiner bedeckten Seite. Auch meine Hoffnung, ein bisschen altes, russisches Fluggerät zu sehen, zerschlug sich.
Bei der Immigration tauschten wir beide mal wieder eine dreiviertel Stunde Schlangestehen gegen einen Stempel im Pass und bahnten uns den Weg durch den üblichen Scam im Ankunftsbereich. Die Taximafia erkennt den Ausländer mit fehlenden Sprachkenntnissen auf den ersten Blick und versucht (wie wahrscheinlich in jeder großen Stadt außerhalb Deutschlands) aus Ahnungslosigkeit Profit zu schlagen. Der deutlich günstigstere Weg in die Innenstadt ist der Bus 322 direkt vor dem Terminal:
Der Fahrpreis beträgt 25 UAH (~2,50€) pro Person und bringt euch je nach Verkehrssituation in 20-40 Minuten zum Hauptbahnhof Vokzalna (Вокзальна).
Wir kamen auf der westlichen Seite des Bahnhofes an, zur Metro müsst ihr einmal durch das Gebäude zur östlichen Seite. Dort findet ihr im Norden den Eingang zur U-Bahn:
Metrofahren in Kiew ist wirklich kinderleicht: Eine Fahrt kostet 2 UAH (~ 0,20€) egal wie lange und wohin. Statt Tickets gibt es kleine Chips, die ihr entweder an (relativ seltenen) Automaten oder am Schalterhäuschen kaufen könnt. Ich hatte mir vorher einfach ein Bild von diesem Chip ausgedruckt, einen Geldschein hingehalten und mit den Fingern die Anzahl an Fahrchips gezeigt. Klappte wie am Schnürchen.
Die Stationen in der Stadt liegen alle wahnsinnig tief unter der Erde. Plant deswegen genügend Zeit ein, um mit den Rolltreppen nach ganz unten zu fahren.
Wer nun glaubt in einer hässlichen zweckdienlichen Grotte zu landen, sollte sich mal ganz schnell schämen. Die Stationen sind teilweise richtige Kunstwerke und ähneln eher einem Lampenhaus oder einem königlichen Gewölbekeller. Auch die Sauberkeit ist wirklich 1A.
So, jeder der jetzt einmal nach Kiew fahren will, sollte defintiv wissen, wie er von A nach B kommt. Kommen wir nun aber zum eigentlichen Grund meiner Reise: Dem Sightseeing.
Nach einem grandiosen Frühstück (mit Sushi, Käsebuffet und gefühlten tausend Sorten an Backwaren) verließen wir unser Hotel Rus früh morgens um die Stadt zu erkunden. Mit der Metro fuhren wir zur Station Dnipro (Дніпро).
Von dort kann man zu Fuß sehr gut das Kiewer Höhlenkloster (Києво-Печерська лавра) erreichen:
An genau dieser Stelle entschied sich übrigens meine EOS 400D den Dienst zu quittieren. Vor meinem geistigen Auge stellte ich mir schon vor, den Rest des Trip mit dem iPhone knipsen zu müssen. Zum Glück (*knirsch*) liegt der Defekt wahrscheinlich “nur” an meinem 10-24er Objektiv, mit dem 18-55er ging’s dann zum Glück wieder.
Vielleicht noch ein kleines Wort zu Land und Leute: Generell fiel mir sofort die Koexistenz von sowohl den neuesten Autos (X6, Panamera) als auch dem ältestens Sowjet-Traktoren auf. Die kleinen verstaubten Gassen mit den Souvenirständen waren auch ein großer Kontrast zu den strahlend weißen Kathedralen mit ihren goldenen Kuppeln.
Schon von weitem sieht man die Statue der Mutter-Heimat (родина-мать). Diese kolossale Konstruktion ist sogar größer als die Freiheitsstatue und zu Fuß in wenigen Minuten zu erreichen.
Diese Statue bildet den Mittelpunkt eines Parks, der an den Sieg im zweiten Weltkrieg erinnern soll. Aus diesem Grund findet man auch überall heroische Denkmäler und jede Menge Altmetall aus den Zeiten des Krieges.
Für die richtigen Geschichtsfans gibt es auch noch ein Armeemuseum, mit noch mehr Exponaten.
Die erste kleine Pause gönnten wir uns dann am Platz der Unabhängigkeit (Майдан Незалежності), den man sehr gut über die gleichnamige Metro-Station erreicht. Markant in der Mitte befindet sich das 63m hohe Unabhängigkeitsdenkmal. Nicht besucht haben wir das Einkaufszentrum „Globus“, dass sich ähnlich wie die Untergrundstadt Montreal unterhalb des Platzes befindet. Trotzdem kann ich euch nur die Pizzaria “Solopizza” dort unten empfehlen!
Auf dem südlichen Teil des Platzes befindet sich neben vielen Springbrunnen auch eine Skulptur zu Ehren des Erzengel Michaels, den Schutzpatron der Stadt.
Folgt man den sternförmigen Straßen weiter nach Süden steht man nach einem kurzen Anstieg direkt vor einer der wahrscheinlich schönsten Kirchen in Kiew: Der Sophienkathedrale (Софійський собор).
Der Eintritt zu diesem UNESCO Kulturerbe ist nicht umsonst, mit 3 UAH aber quasi geschenkt und aus meiner Sicht fast Pflicht bei einen Stadtbesuch.
Verlässt man das Gelände der Kathedrale kann man schon über die Straße das nächste Bauwerk bewundern: Das St. Michaelskloster (Михайлівський золотоверхий монастир).
Die komplett in blau-weiß gehaltene Klosteranlage betritt man kostenlos über die große Torkirche und hat dann freie Sicht auf die große Klosterkirche.
Da der Klosterkomplex direkt auf einem Berg am Dnepr gebaut wurde, hat man von hier oben auch einen wunderschönen Blick.
Von einer ukrainischen Bekannten bekamen wir noch den Tip, uns eine kleine Flußfahrt über den Dnepr zu gönnen. Aus Zeitgründen mussten wir diesen Plan leider verwerfen. Wer aber Lust drauf hat, sollte zum Fährhafen der Metrostation Poshtova Ploshcha (Поштова площа) fahren. Ebenfalls kann man zu dieser Station auch über eine kleine Standseilbahn (Київський фунікулер) direkt am Michaelskloster fahren.
Von Weitem ist auch das Denkmal der Völkerfreundschaft zu erkennen. Dieser riesige Bogen wurde zu Ehren des 1500. Jahrestages der Gründung von Kiew errichtet und soll an die Verbundenheit mit Russland erinnern.
Wie so oft bei sehr kurzen Städtereisen mussten wir uns dieses Mal zwischen einzelnen Sehenswürdigkeiten entscheiden. Die Wahl fiel leider gegen die St.-Andreas-Kirche (Андрiївська церква), stattdessen steuerte wir zeilstrebig das Haus mit den Chimären (Будинок з химерами) an.
Nach der vollen Breitseite an Kirchen und Klöstern ist dieses Haus wirklich etwas komplett anderes. Gebaut wurde es von 1901 bis 1902 vom Architekten Horodecki, der wirklich absolut zu Recht als Gaudí der Ukraine bezeichnet wird. Die komplette Fassade ist mit Mischwesen und Jagdtrophäen und Szenen aus der Seefahrt überzogen. Dazu kommen Frösche und Nashörner als Wasserspeier und seltsame Monster auf dem Dach.
Ursprünglich wurde es als Wohnhaus gebaut, heute wohnt der ukrainische Staatspräsident darin. Dass dieses Haus die perfekte Kulisse für Staatszeremonien bietet, erklärt sich ja von selber.
Da sich die Sonne immer weiter senkte, machten wir uns zur letzten Station an diesem Tag auf: Dem Goldenen Tor (Золоті ворота).
Vom 9. bis zum 18. Jahrhundert wurde dieses Stadttor genutzt und wurde in den 1970er Jahren komplett restauriert.
Hier entdeckte ich auch einen kleinen Vorgeschmack auf Fußball-Europameisterschaft 2012, die in Polen und der Ukraine stattfinden wird. Das Olympiastadium (Олімпійський) soll dabei Austragungsort des Endspiel sein. Von unserem Hotelzimmer hatten wir einen perfekten Blick auf den aktuellen Stand der Umbaumaßnahmen des Stadiums. Neben einer Überdachung wird auch eine komplett integrierte Flutlichtanlage nachgerüstet.
Jeder noch so schöne Städtetrip hat auch einmal ein Ende, und so machten wir uns am nächsten Tag wieder auf den Weg zurück zum Flughafen Boryspil. Für einen offiziellen, internationalen Flughafen liefert die Eingangshalle einen etwas chaotischen und sehr lauten Eindruck. In der Mitte tummeln sich dann noch mindestens zehn Stände, die so ziemlich jedem Fluggast den Koffer in Frischhaltefolie einwickeln. Anscheinend werden die Koffer in der Ukraine noch weiter und härter geworfen als sonst. :)
Im Abflugbereich legte sich dann die Hektik. Nach Erhalt des Ausreisestempels wartete man in deutlich ruhigerer Atmosphäre auf seinen Flieger. Mit dem Bus ging es dann wieder zurück zum gleichen Flugzeug, das uns auch schon nach Kiew gebracht hatte.
Für einen Billigflieger verlief der Rückflug wieder sehr ruhig. Kaum zu glauben, aber nach so vielen Flügen mit Ryanair hatte ich mich schon fast an die Lärmbelästigung durch Crossselling während des Fluges gewöhnt.
Die Passkontrolle in Memmingen war dann nur noch Formsache, und schon nach 60 Minuten waren wir wieder zu Hause angekommen.
Ich glaube, ich könnte eine ganze Woche in Kiew verbringen und ich hätte immer noch nicht alles gesehen, was ich mir vorgenommen hatte. Allein bei der Fülle an Klöstern und Kirchen könnte ich wahrscheinlich Ewigkeiten durch die Stadt laufen. Natürlich lag es auch ein bisschen am Wetter, aber dieser Trip hat richtig Spaß gemacht. Auch an den Preisen hat man so seine Freude, die Kosten für Übernachtungen und Restaurants sind deutlich niedriger als daheim.
Relativ hilfreich ist die Kenntnis der kyrillischen Schrift und einen verdammt guten Straßen- und Metroplan. Fragen kostet zwar nichts, aber ihr werdet es schwer haben, jemanden zu finden der entweder Deutsch oder Englisch spricht.