Sind Modeblogs die besseren Reiseblogs?
Eine knallharte Frage im Titel, aber dennoch wollte ich schon lange dieses Thema ansprechen, während ich sehnsüchtig auf meine nächste Reise nach Abu Dhabi warte.
Mit Connys Modeblog fashionvictress.com und meinem Reiseblog arbeiten wir beide nun schon fast sechs Jahre als Team zusammen. Aber so nah wie in jüngster Zeit lag unser thematischer Schwerpunkt noch nie zusammen: Während gerade in den Anfangsjahren die Inhalte meistens klar zwischen Neuigkeiten der großen Modeschauen oder die Vorstellung von jungen Designern oder Labels auf der ihrer Seite, und die persönliche Berichterstattung über Urlaube oder Pauschalreisen auf meiner Seite stand, so treffen sich unsere Themen mittlerweile sehr häufig in der Mitte.
Die Frage muss deswegen gestellt werden:
– Liegen die Themen Mode und Reisen wirklich so weit auseinander?
– Haben vielleicht Connys und meine Artikel nur die gleiche Ausgangsbasis?
– Ist ein Modeblog vielleicht doch auch ein kleiner Reiseblog?
… oder ist es vielleicht doch nur die Symbiose aus einer Modebloggerin und einem Reiseblogger, die eine perfekte Mischung ergibt?
Das Klischees: Modeblogger vs. Reiseblogger
Beginnen wir zuerst mit einer Art Bestandsaufnahme.
Hier wäre eine nüchterne Aufstellung der Klischees, die eigentlich vermuten lassen sollten, dass die Schnittmenge zwischen Reisebloggern und Modebloggern eher gering sein dürfte.
- Reiseberichte sind die Paradedisziplin von Reisebloggern, die jeden Winkel einer Destination sofort fotografisch festhalten müssen. Der modeaffine Schreiberling hingegen sieht eine fremde Stadt mit nur geringem Interesse. Viel zu gering ist die Zeit zwischen zwei Events oder Modenschauen, so dass maximal ein schnelles Foto auf der Taxifahrt zwischen zwei Orten geknipst und ge-instagramt wird.
- Events und Meetings sind der abendliche Lichtblick des Modebloggers nach einem langen Tag. In einer coolen Location kann man abends ein wenig unter Kollegen entspannen. Der Reiseblogger bleibt solchen Gelegenheiten eher fern, schließlich wartet die blaue Stunde. Überhaupt: Warum sollte man die Gelegenheit verstreichen lassen, eine fremde Stadt noch einmal bei Nacht zu besichtigen und Fotos zu machen? In einer Bar sitzen kann man schließlich auch daheim.
- Der Wellnessbereich ist das Eldorado des Reisebloggers. Schließlich muss dieser einem kritischen Review unterzogen werden. Kann man den Whirlpool empfehlen? Bringt die Dampfsauna wirklich die erwünschte Entspannung? Und halten die Relaxliegen auch wirklich das, was sie versprechen? Um das herauszubekommen, schreckt der Reiseblogger nicht davor zurück, den SPA-Bereich auch mehrmals am Tag zu testen. Die Modebloggerin nimmt den Whirlpool eher als Mittel zu Zweck und entspannt in ihren kurzen Pausen. Fotos machen? Eher nicht. Das Handy hängt für das nächste Event am Ladekabel.
- Laufstegshows sind klassische Modethemen und nichts für den Reiseblogger. Während in gleißenden Scheinwerfern die neusten Schnitte und Stoffe vom Modeblogger fotografisch abgelichtet werden, wandert der Reiseblogger in langweiliger, aber bequemer Funktionskleidung durch die Landschaft. Warum auf seinen Stil achten? Die weißen Tennissocken in Sandalen sind schließlich das international vorgeschriebene Erkennungszeichen für Touristen.
- Für Hotelberichte inspiziert der Reiseblogger auch gerne mal das gesamte Haus und fotografiert den Pool nach den offiziellen Öffnungszeiten. Soviel Mühe muss sein, schließlich möchte man seinen Lesern einen bestmöglichen Überblick über das Haus geben. Den Modeblogger interessiert nur das Bett, in das er nach einem anstrengenden Tag fallen kann. Unter Umständen klingelt der Wecker morgens so früh, dass selbst das Frühstück unfotografiert bleiben muss.
Natürlich sind diese Beispiele bei weitem überzeichnet. Aber grob erkennt man doch die prinzipiellen Vorurteile von beiden Bloggertypen.
Erst in den letzten Jahren stellten Conny und ich aber fest, wie wenig diese Meinungen mit der Realität gemeinsam haben. Während ich früher eine Städtereise nach Berlin und den Besuch einer Berlin Fashion Week als zwei völlig unterschiedliche Unternehmungen angesehen habe, hat sich meine Meinung mittlerweile doch stark gewandelt.
Lifestyle: Die Schnittmenge von Reisen und Mode
Kein Wort trifft den Kern von meiner und Connys Arbeit so gut wie das Wort Lifestyle. Jeder von uns beiden möchte mit seinen Artikel die Art seiner Reise möglichst authentisch für euch alle transportieren.
Wer unterwegs ist, zeigt somit immer einen Ausschnitt seiner Welt und seines Alltags.
Konkrete Beispiele für die Vermischung von Reise- und Modeblogs gefällig? Aber gerne doch!
Die obere Liste mit den gängigen Klischees lässt sich wunderbar durch Gegenbeispiele entkräften.
- Auch zu einem Modeblog passen Reiseberichte ideal. Conny berichtete in ihrem Blog sehr ausführlich über ihre Erlebnisse auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa 2 und bette ihre üblichen Outfit-Fotos in einen ganz besonderen Kontext. Auch bei unserem letzten Ausflug nach Livigno nutzte Conny die tolle Landschaft als Hintergrund für ihre neuen Stiefel und Sonnenbrille. Und die Stadt war hier wirklich eine mehr gelungene Kulisse.
- Eine Fashionshow in einer anderen Stadt? Wieso nicht einfach ein paar Impressionen der Sehenswürdigkeiten in die Berichterstattung einfließen lassen! Meine Reiseblogger-Kollegin Vanessa Pur nahm sich während der letzten Fashion Week in Berlin die Zeit für einen Blick nach links und rechts. Auch Conny nutzte die Chance, um ein wenig mehr von Paris als nur Eiffelturm & Co bei ihrem Fashion Week Paris-Besuch in diesem Herbst einzufangen und besuchte den berühmten Parc des Buttes-Chaumont oder den Père Lachaise während eines freien Nachmittags. Und ich? Ich nutze meine Zeit als Fotograf für die Fashion Week in Berlin für Nachtaufnahmen von Reichstag und Brandenburger Tor. Wenn das mal keine perfekte Mischung ist. Tunnelblick bei Mode- und Reiseblogs? Fehlanzeige!
- Events und Partys können besser zum Thema Reisen passen, als man denkt. Dank der letztjährigen Einladung zur Weihnachtsfeier des Ingolstadt Village Outlets konnte ich die Gelegenheit nutzen, um mich für einen neuen Koffer zu entscheiden. Perfekt, denn genau so konnte ich meinen kleinen Engpass an Reisegepäck in den Griff bekommen, nachdem mein geliebter RIMOWA-Koffer auf dem Weg nach Teneriffa zerbrochen war. Auch eine Pressekonferenz im letzten Jahr ließ mich Hamburg ein wenig genauer unter die Lupe nehmen.
- Wellness als Modeblogger? Aber natürlich doch! Beides dient der Schönheit und des Wohlbefindens, also ist auch der Wellnessbereich eines Hotels genau das Richtige für den Modeblog. Gerade ein Bericht über das Shopping-Erlebnis in einer fremden Stadt wird doch erst richtig interessant, wenn man weiß, wo man seinen armen Füße und Schultern ein wenig Entspannung gönnen kann. Conny machte es hier genau richtig, und zeigte ihren Followern wie man am Thunersee in der Schweiz relaxen kann.
- Hotels sind für Modeblogger weit mehr als nur eine kurze Raststation zwischen zwei Events. So sieht man auf Connys Blog nicht nur ein detaillierten Blick in die Zimmer des neuen Motel One am Deutschen Museum in München, sondern auch einen erneuten Beweis, wie gut sich Hotellobbys für Mode-Fotografien eignen. Gerade bei jungen oder frisch renovierten Hotels merkt man es ganz schnell, wenn sich jemand wirklich Gedanken um sein Interieur-Konzept gemacht hat. Denn merke: Auch Hotels können modisch sein.
Mit Sicherheit gäbe es für jeden Punkt noch weit mehr Beispiele, die alle gängigen Klischees über die grundsätzliche Verschiedenheit von Mode- und Reisebloggern widerlegen sollten. Der Fokus auf Details oder große Weitwinkelaufnahmen und die persönliche Herangehensweise an die Geschichte kann sich vielleicht unterscheiden, die grundsätzliche Zielsetzung bleibt aber die Gleiche: Lifestyle ist Botschaft von Reise- und Modeblogs.
Fazit: Modeblogger & Reiseblogger
Aus meiner Sicht werden sich die beiden großen Schwertpunkte aus „tollen Destinationen“ und „schönen Dingen“ in der Blogosphäre nicht auf ewig in zwei Lager aufteilen lassen. Das Großartige an den aktuellen Mode- und Reiseblogs ist die persönliche Sichtweise und die Möglichkeit, dass sie mich als Leser auf bestimmte Reisen oder Events mitnehmen können. Und das können beide gleich gut. Schon aus diesem Grund werden sich die Wege von Reisebloggern und Modebloggern in Zukunft viel öfter kreuzen.
Die grundlegende Kategorisierung, ob der Kern des Blogposts nun ein Traumstrand, eine Eventlocation oder eine Veranstaltung in einem neuen Hotel ist, dürfte bei der Unterscheidung zwischen Modebloggern und Reisebloggern in Zukunft fast keine Rolle mehr spielen.
Also Schluss mit Schubladendenken! Viel mehr geht es um die Person, die den Blog schreibt und ihre Art durch gute Fotos oder Videos diesen Lifestyle zu transportieren. Und genau deswegen kann man es sogar als Bereicherung für jeden Blogleser bezeichnen, wenn Reiseblogs und Modeblogs über die gleichen Events, Reisen und Locations aber stets auf ihre ganz persönliche Art und Weise berichten.
Conny und ich sind uns auf jeden Fall sicher: So wie wir aus den jeweiligen Blickwinkeln über unsere Reisen und Events schreiben, entsteht ein super Ergebnis.
Und ich hoffe, euch gefällt’s.
Es gibt einen ganz entscheidenden Unterschied zwischen den Lagern: Reiseblogger berichten, wenigstens manchmal, kritisch über das Erlebte. Bei Modebloggern, so mein persönlicher Eindruck, ist immer alles supi-dupi toll und die Welt ganz rosarot. Auch die Tiefe, Hintergrund-Infos etc. liefern IMHO eher die Reiseblogger, als die Mode-Kollegen. Dafür mag Reisebloggern der Sinn und der Blick fürs Stylische manchmal abgehen. Aber was hilft es mir, wenn das Bett oder der Flugzeugsitz zwar gut aussieht, aber total unbequem ist?
Vo daher plädiere ich an das Gros der Mode- und Reiseblogger: Schuster bleib’ bei Deinen Leisten!
P.S.: Wenn ich hier von DEN Reisebloggern oder DEN Modebloggern gesprochen habe, meine ich damit die Masse und keine einzelnen Personen.
@Ingo: Grundsätzlich hast du natürlich Recht: Jeder, der sich bewusst einen Themenschwerpunkt setzte (“Mode” < -> “Reisen”) sollte natürlich erst einmal schaun, dass er auf dieser Seite einen guten Job macht. Erst wenn er quasi in seinem Metier alle Hausaufgaben gemacht hat, sollte er sich den Tellerrand vornehmen.
Allerdings glaube ich nachwievor an das Gute und auch die Professionalität auf beiden Seite. Dass jemand vor lauter Neuigkeiten jeden Maßstab verliert (“alles toll”, “alles super”) würde ich jetzt nicht aus Berufskrankheit von Modebloggern bezeichnen. Den Anspruch an sich selbst, sollte jeder haben, hier ausgewogen zu berichten. Aus meiner Sicht darf da aber auch durchaus ein Begeisterungsturm zwischen drin durchbrechen. Das ist irgendwie menschlich.
LG Phil
Es geht hier nicht nur um Modeblogger. Ich habe in meinem Autorenteam einen Motorsportblogger und eine Buchbloggerin und eine DIY-Bloggerin, die allesamt in ihrem Bereich mit eigenen Blogs unterwegs sind. Da der Blickwinkel anders ist, wiederspricht sich das ganze nicht. Die Vorgaben sind klar andere – man gibt andere Informationen auf einem Modeblog als auf einem Fashionblog. Aber warum soll der Reiseblogger nicht auch über Outfits unterwegs und der Modeblog nicht auch über eine Reiselocation berichten. Grundsätzlich sollte man nur seiner Linie treu bleiben.
Pingback: Unpacking Travel: Ausgabe 47 | GoEuro Blog