Reisebericht Serbien Tag 3.1: Belgrad Sightseeing
Man muss auch einfach mal Glück haben. Nach zwei Tagen, an denen der Regen eimerweise auf Belgrad niederprasselte, zeigte sich der Himmel auf einmal richtig schön blau mit nur ganz wenigen Wolken. Darauf hatte ich nur gewartet. Also nix wie raus in die Stadt. Schließlich hatte gerade der gestrige Tag einen sehr tristen Eindruck hinterlassen. Den galt es nun wieder gerade zu rücken.
Dank günstiger Lage unseres Hotels in Belgrad nahmen wir die Tram direkt ins Stadtzentrum. Die erste Sehenswürdigkeit ist das Bahnhofsgebäude. Im Prinzip ist das gesamte Areal inklusive der Gleisanlagen dem Tode geweiht, nachdem die Serbische Regierung zusammen mit dem Emirat Dubai das Projekt “Belgrad Waterfront” plant. Der neue Bahnhof soll 2 Kilometer weiter stadtauswärts entstehen. Fast schade um die Architektur.
Die Idee mag die Bevölkerung spalten, tatsächlich lässt sich ein gewisser Verfall der Häuser am Fluss Sava nicht ganz leugnen. Einige Häuser sind komplett ohne Dach und entkernt, andere sehen so aus, als könnte man selbst mit einem Eimer Farbe nicht mehr viel retten. Allerdings muss man sich hier auch ganz klar von den eigenen Vorstellungen eines hübschen Eigenheims trennen. Der Deutsche mag es gerne sauber und ordentlich – dem Belgrader ist das anscheinend wurscht, solange er ein Klimagerät an eine der Hauswände spaxen kann. So ist das nun einmal in anderen Ländern.
Auch die eigene Bezeichnung “Belgrad”, was übersetzt soviel wie “weiße Stadt” bedeutet, lässt sich aus meiner Sicht nicht ganz nachvollziehen. Immer wieder zeigt sich, dass es eigentlich überhaupt keine einheitliche Städtebau-Strategie gibt, sondern der absolute Mix regiert. Alte kleinere Häuser liegen neben Betonriesen aus der sowjetisch geprägten Zeit, und werden mittlerweile von ultramodernen Glasbrocken flankiert. Und das alles wird garniert mit einem kleinen Schuss von omnipräsentem Kabelsalat, der jedem Elektrotechniker das blanke Grauen ins Gesicht zaubert.
Auch bei den Autos zieht sich der Mix gut durch. Während Neuwagen eigentlich an jeder Ecke stehen, gibt es gleichzeitig auch viele Repräsentanten der alten Schmieden wie Zastava, die als historisches Gut wahrscheinlich liebevoll am Laufen gehalten werden. Gleichzeitig ist im Automobil-Sektor auch die “Nichts wird weggeschmissen“-Taktik zu spüren: Was in Deutschland emotionslos ins Ausland wandert, wird hier bis auf die letzte Schraube demontiert und verwertet. Für jeden Street-Fotografen bieten sich so wirklich geniale Bilder, die herrlich den Lifestyle von Belgrad einfangen.
Aber schwenken wir nun von historischen Automobilen zu richtig altem Eisen: Der Kalemegdan (Калемегдан). Dieser Park umringt die Festung von Belgrad.
Hier bekommt der Tourist die Lage der Stadt Belgrad eindrucksvoll vor Augen geführt. Zusammen mit Wien, Bratislava und Budapest ist Belgrad die vierte Hauptstadt, die an der Donau liegt. Die alten Einwohner wählten die Lage sogar mit besonderer Sorgfalt: Hier befindet sich die Mündung der Save in die Donau. Letztere ist an ihrer dunkleren Farbe im oberen Teil des nächsten Bildes zu erkennen. Die Save kommt dabei von links unten.
Das historische Wahrzeichen ist die Festung von Belgrad (Београдска тврђава), die auch den historischen Kern der Stadt bildet. Erbaut wurde sie im 15. Jahrhundert auf einem 50 Meter hohen Kalkplateau oberhalb der Flussmündung. Im Laufe der Jahre wurde sie natürlich ständig belagert, zerstört, wiederaufgebaut und erweitert.
Direkt oberhalb des Flusses thront die Statue des Pobednik (Победник), die als “Der Sieger” bekannt ist. Errichtet wurde sie nach dem ersten Weltkrieg und sollte ursprünglich an den Ersten Balkankrieg und die Befreiung Serbiens erinnern. Allerdings wurde sie dann 1928 umgewidmet und erinnert heute an die Niederlage Österreich-Ungarns an der Balkanfront.
Auch wenn ich Denkmälern prinzipiell sehr positiv gegenüber stehe, zeigt ein solches widmungstechnisches Hickhack die Sinnfreiheit von Sieger-Denkmälern.
Weitere Kuriosität am Fuße der Festung: Da man anscheinend im Burggraben genügend Platz hatte, wurde hier kurzerhand ein Militärmuseum errichtet. Schnell wurde epochenübergreifend allerei Gerümpel zusammen gekarrt und am Fuße der Festung aufgeständert. Und so stehen Panzer aus dem Ersten Weltkrieg neben welchen aus diversen Balkankriegen. Und da auch ein kleines Kanonenboot noch irgendwo rumlag, wurde dies ebenfalls kurzerhand in die Wiese gestellt.
Immerhin: In Ermangelung einer Absperrung ist der Besuch des ganzen Altmetalls for free.
Soviel zum ersten Teil meines Stadtrundgangs in Belgrad. Im nächsten Posts geht’s dann weiter bei strahlendem Wetter durch die Fußgängerzone und diverse Kirchen von Belgrad. Auch ich gönnte mir an dieser Stelle erst einmal eine Pause. Schließlich sah das Wetter relativ stabil aus, und auch das härteste Sightseeingprogramm braucht einmal einen kurzen Boxenstopp.
Weitere Belgrad-Reiseberichte
- Tag 1: Hinflug & Einchecken im Radisson Blu Old Mill Belgrad
- Tag 2: City Tour Belgrad
- Tag 3.1: Belgrad Sightseeing (Teil 1)
- Tag 3.2: Belgrad Sightseeing (Teil 2)
- Tag 4: Heimflug mit der Lufthansa von Belgrad nach München
Hi Phil,
ups das ist aber wirklich mal ein krasses Innenstadtbild, das Du bisher gezeigt hast.
Bei den Straßenbahnen ist es übrigens wie bei den Autos, dort ist ebenfalls alles bunt gemischt.
Die grünen Straßenbahnen kommen ehemals aus Basel, schon skuril das die wahrscheinlich ohne Fahrzielanzeige fahren.
Die roten eckigen sind natürlich von Tatra, es sollen aber auch Modelle des Typ Urbos 3 vom spanischen Hersteller CAF dort fahren. Vielleicht sieht man sie auch noch auf den nächsten Bildern.
Habe mich gefragt, was wohl passiert, wenn in den Kabelsalat in den Straßen einmal der Blitz einschlägt.
LG Stefan
Tatsache. In der grünen war Innen sogar noch eine “Schwarzfahrer-Warnung” auf Deutsch mit einem Verwarngeld in Schweizer Franken unterwegs. Das Fahrziel war nur deswegen aus, weil es eine Sonderfahrt war. Die anderen eckigen alten und neuen runden Wagen hatten alle zumindest eine Nummer.
Der Kabelsalat hat übrigens einen großen Vorteil: Man kann es sicher in Sekunden wieder reparieren :)
LG Phil
Können wir uns auf einen anderen GB-Autor einigen? Wie wäre es mit Mike Müller?
Kommentar vom Admin: Jeder darf Kommentare schreiben, auch gerne mit Pseudonym.
Das Annehmen des Namens eines anderen Kommentators wird jedoch nicht toleriert.
Als Anwort auf den oberen Kommentar:
Sorry, da komme ich jetzt nicht ganz mit :) Was meinst du genau?
Sieht nach einem spannenden Reiseziel aus :)
Spannend ist das richtige Wort! Mit ein wenig geschichtlichem Hintergrundwissen bietet der Besuch in Belgrad wahrscheinlich deutlich mehr als man auf den ersten Moment vermutet.
LG Phil
@Phil
der Post mit dem anderen GB-Autor war nicht von mir…keine Ahnung wer so einen Blödsinn schreibt.
LG Stefan
Jemand hat da unter deinem Namen gepostet? Das ist ja echt nicht besonders nett. Ich markiere die Kommentare mal gleich dementsprechend.
Sorry, dass hier jemand auf meiner Seite so einen Schabernack treibt. Ich freue mich immer sehr über deine Kommentare.
LG Phil
Moin Phil! Zwar mache ich dieses Jahr schon Urlaub in Schenna, habe mir jedoch fest vorgenommen, Südosteuropa in nächster Zeit mal näher kennenzulernen und da sollte Serbien mit Belgrad definitiv nicht fehlen. Vielen Dank für deinen wirklich guten Reisebericht und beste Grüße
@Malta: Gern geschehen!
Gibt’s deine Erfahrungen aus Südtirol auch irgendwo zum Nachlesen?
LG Phil