Reisebericht Tag 2: Skopje 2014, Festung Kale, Altstadt & Wanderung auf den Berg Vodno
Skopje hat etwas ganz Großes vor. Anders kann man die Gegebenheiten vor Ort nicht interpretieren. Nachdem wir am vorherigen Tag am Flughafen „Alexander der Große“ (Аеродром Александар Велики” Скопје) gelandet waren, ging es mit dem Taxi über die „Alexander der Große“-Autobahn in die Innenstadt, wo unser Hotel direkt neben dem „Alexander der Große“-Platz lag, auf dem seit neuesten eine 22m-hohe Statue von Alexander dem Großen steht …
Ja, äh … also. Im Moment läuft in der Hauptstadt das Programm “Skopje 2014”, welches das komplette Stadtbild von Skopje um 180° drehen soll. Statt schnuckeliger Balkanstadt mit christlichen und muslimischen Einflüssen und einem Anteil russischer Brutalismus-Architektur und Plattenbauten entschied man sich für Disneyland und baut im Moment im großen Stil Staatsgebäude in Form von griechischem Tempeln und passend dazu tausende Statuen, Brunnen und Denkmäler für alles und jeden, der irgendwie irgendwas mit Mazedonien zu tun haben könnte und irgendwo etwas Wichtiges gemacht haben könnte.
Und so kam auch die plötzliche Erkenntnis, dass Alexander der Große natürlich kein Grieche war (sehr zur Verärgerung des stolzen, aber stark verschuldeten EU-Nachbarlandes) und man beanspruchte den gute Alex für’s eigene Land. Der Brunnen wird beispielsweise fast rund um die Uhr mit heroischer Musik beschallt und Wasserspiele inkl. Nebeldampf machen diesen Brunnen wirklich zu einem Publikumsmagneten.
Es ist allerdings schon etwas befremdlich einen Triumphbogen mit Baujahr 2011 zu besichtigen, der natürlich den Mazedonischen Staat an der Spitze der menschlichen Evolution symbolisiert. In einer gewissen Weise fühlt man sich wie die Menschen, die den Bau des Eiffelturm oder des Trevi-Brunnens live miterlebt haben. Man fragt sich, was ein solches Bauwerk soll und was man damit außer Geld ausgeben bezwecken möchte. Wahrscheinlich braucht es einfach noch ein paar Jahrzehnte bis die Bauwerke ins Stadtbild “passen” und auch die passende Patina angelegt haben.
Gerade in der Innenstadt hat man ganz tief in die Spielwarenkiste gegriffen und natürlich auch einen Tempel mit ewiger Flamme spendiert. Bei einer Jugendarbeitslosenquote von knappen 50% sind solche Investitionen natürlich schon in Frage zu stellen. Was bringt nun mehr? Investition in Bildung, oder die Investition in Tourismus? Die Zukunft wird’s zeigen.
Eines muss man dem Architektur-Boom lassen: Der sightseeing-hungrige Tourist (wie zum Beispiel ich selber) hat was zum Staunen und Fotografieren. Nach außen hin ist die Message auch klar: Schaut uns an, in Skopje geht etwas voran! Und somit ist der Plan mit Skopje 2014 doch gar nicht so schlecht.
Wir hatten jedenfalls erstmals genug von Retorten-Architektur und überquerten den Fluss Vardar (Вардар), der sich mäanderförmig durch die Stadt schlängelt. Auf der Nordseite befindet sich der historische Teil der Innenstadt, der durch die Festung Kale (Скопско кале) dominiert wird.
Innerhalb dieser Festung wurden die ersten Siedlungsspuren gefunden, die sich auf das 4. Jahrtausend v.Chr. datieren lassen. Die heutigen Außenmauern stammen aus dem 18. Jahrhundert, nachdem die Festung mehrere Male zerstört wurde.
Seltsamerweise führt kein Weg in die Festung hinein: “No Entry for Visitors” steht auf einem Schild am Eingang.
Na ganz geil! Die ganze Stadt wird tourimäßig mit tausend neuen Statuen auf Hochglanz poliert aber bei einer der wenigen historischen Sehenswürdigkeiten steht man vor versperrten Gittern. Keine Sorge: Ich meckere nicht nur innerhalb dieses Reiseberichts – Auch beim Torhüter ließ ich meinen Frust raus, bis dieser mich genervt eintreten ließ. Geht doch :)
Nach alten unbewohnten Steinen widmeten wir uns mehr den bewohnten, alten Steinen und ließen uns ohne Navi-Unterstützung durch die Gassen der Innenstadt treiben. Hier trifft man wieder auf authentischen Stil. Noch dazu scheint der Samstag Markttag auf dem großen Bit-Pazar zu sein. Gegen die Auswahl an frischen Obst und Gemüse kommt daheim kein Kaufland oder Edeka an.
Und auch die verwinkelten Gassen des alten Handelsviertels mit dem Namen “Alter Basar” (Стара скопска) sind sehr sehenswert.
Kommen wir nun zum Nationalsport von Mazedonien: Die Rolle von König Fußball in Deutschland wird in diesem Land vom Wandern eingenommen. Hier schlendert man gerne gemeinsam durch die hügelige Landschaft und dafür gibt es perfekte Ausgangsbedingungen in Skopje. Die Stadt liegt in einem tief eingeschnittenen Becken mit hervorragender Wandermöglichkeit auf den Hausberg Vodno (Водно), auf dessen Spitze ein großes orthodoxes Kreuz steht.
Und so entschieden wir uns den nationalen Bräuchen zu folgen und ebenfalls auf Wandertour zu gehen. Ziemlich schnell fanden wir Anschluss an die lokale Bevölkerung und wanderten gemeinsam mit einem älteren Herr bis zur halben Höhe des Berges, dem so genannten Sredno Vodno (Средно Водно), von dem eine Seilbahn auf die Gipfel führt. Eines muss man zugeben: Dafür, dass der Einheimische nur zwei Brocken Deutsch, kein Englisch und wir kein einziges Wort Mazedonisch, Serbisch oder sonst etwas konnten, lief die Kommunikation doch erschreckend gut :)
Die “Tal”-Station der Seilbahn wird von einem kleinen Vergnügungspark gesäumt. Allerdings standen hier auch sehr viele Buden leer. Sehen wir es positiv: Wenn einmal die große Tourismuswelle über Skopje hereinbricht, ist jede Menge Expansionsfläche vorgesehen. Für 100 DEN kauften wir uns ein Retour-Ticket und fuhren zum zweiten Mal auf diesem Trip mit einer Gondel.
Oben auf dem Berg wird man mit stilechter Gipfel-Atmosphäre begrüßt: Hundert trocknende T-Shirts auf Wäscheleinen flattern wie Fahnen im Wind und natürlich die obligatorische Einkehr-Hütte mit Holzofen darf nicht fehlen. Innen wird man vor lauter menschlichen Ausdünstungen fast ohnmächtig, kann aber die mazedonische Hall-of-Fame der Bergsteiger bestaunen, die auf Fotos stolz die mazedonische Flagge auf dem Mount Everest hissen.
Auch der Blick über die Stadt ist mehr als wunderbar und zeigt relativ gut, wie die Stadt zwischen zwei Hügeln eingesperrt ist. Die Gondeln bieten übrigens auch die Möglichkeit ein Mountainbike mit nach oben zu nehmen und von dort dann eine ordentliche Downhill-Action zu starten. Das wäre dann mein Plan für die nächste Besteigung gewesen :)
Wenn man nun schon einmal einen Berg von brachialen 1066m erklommen hat, sollte man sich auch die letzte Etappe nicht entgehen lassen. Für noch einmal 100 DEN geht es mit dem Aufzug in den Querbalken des Gipfelkreuzes.
Und ja: Es ist tatsächlich ein ganz normaler Gebäudeaufzug, der draußen im Freien im Fachwerk-Kreuz eingebaut wurde. Dementsprechend war die Touriattraktion auch vom Wetter bearbeitet. Nach oben sind wir aber trotzdem gekommen und machten unsere ersten Schritte auf dem “durchsichtigen” Gitterboden. Definitiv nichts für Menschen mit Höhenangst.
Nach der Aufzugfahrt ging es dann mit der Gondel wieder kostenlos nach unten. Jedenfalls wollte niemand unsere Tickets sehen und so etwas wie ein Drehkreuz existierte anscheinend auch nur im Tal. Theoretisch fährt auch ein Bus von der Talstation zum Hauptbahnhof. Da wir aber die Bushaltestelle nicht finden konnten und eine recht zuverlässige Offline-Navi-Karte auf dem Handy hatten, entschlossen wir uns für die Fortsetzung der Wandertour und erledigten den finalen Abstieg per pedes. Schöne Aussicht inklusive.
Die Sonne tauchte die Stadt abends in ein wunderbar goldenes Licht, so dass wir uns noch einmal zum Fluss aufmachten. Kurioserweise wurde im Rahmen von “Skopje 2014” auch ein Springbrunnen in den Fluss eingebaut. Dieser flankiert die Steinbrücke über den Vardar (Камен мост), die schon in der Römerzeit existierte und somit wirklich, echt und ganz ehrlich in die Kategorie “historische Sehenswürdigkeit” fällt.
Abends ging es dann auf die Spuren des guten Essens der Balkanregion. Die Restaurants in der Altstadt enttäuschten nicht und servierten uns einen hervorragenden Grillteller. Wer auch mal die örtliche Bierbraukunst unterstützen will, dem sei das lokale Bier Skopso (Скопско) ans Herz gelegt.
Reisen bildet!
Das kann man in diesem Fall auch sagen wenn Skopje sich auf seine “antike Herkunft” aufmerksam machen will.
Lassen Sie mich raten:Die Männer FYROMs heißen ausschließlich “Aleksandar” und die Frauen “Penelope”!
Hehe, vielleicht :) Aber du hast schon Recht. Wer nicht reist, sieht nichts von der Welt!
Hast du stadt Ohrid besucht???
Wenn du in Ohrid nicht warst,hast du nichts von Mazedonien gesehen. ;)
Nein, leider fehlt mir Ohrid und der passende See noch. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Das Ziel steht auf jeden Fall auf der Liste!
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macedonien ist das beste land