Reisebericht Bukarest Tag 2.1 – Parlamentspalast, Haus des Volkes und Bulevardul Unirii
Nur kein Stress und keine Eile: Bei einigen Städtetrips hatten wir Sightseeing-technisch Vollgas gegeben und waren am Ende fast urlaubsreifer gewesen als zuvor. Dieses Mal konnten wir die Sache entspannter angehen und gönnten auch unseren Weckern eine verdiente Auszeit. Nach einem langen Ausschlafen wollten wir das Frühstücksbuffet des nagelneuen Sheratons ausprobieren und spazierten gemütlich in den ersten Stock.
Gerade das Frühstück ist bei frisch eröffneten Hotels immer ein kritischer Punkt: Bei manchen Häusern ist das Personal noch nicht eingespielt. Die Anordnung auf dem Buffet ist für manchen Mitarbeiter noch neu und nicht alles klappt auf Anhieb. Auch hier ließ sich dies ein wenig beobachten: So war es für die Mannschaft noch nicht ganz klar wo der Kaffee her kam: Wird er nun an den Tisch gebracht, oder werden die Kunden an die Vollautomaten am Buffet verwiesen? Nach dem Moment der leichten Verwirrung waren dann die Unklarheiten beseitigt.
Die erste Sightseeing-Tour übernahm ich dann solo. Conny hatte sich tatsächlich noch ein wenig zum Arbeiten mitgenommen. Absolut verständlich: Über ihr schwebt das Damoklesschwert einer Masterarbeit, während ich für das Haus des Volkes die Morgenstunden als beste Licht-Zeit ausgerechnet hatte. Also trennten sich hier unsere Wege. Während Sie hinter den Büchern verschwand, sprintete ich durch den morgendlichen Stadtverkehr zu den Hauptsehenswürdigkeiten von Bukarest.
Erster Stop war der kleine Fluss Dâmbovița. Sie ist ein Nebenfluss der Argeș, der wiederum ein Nebenfluss der Donau ist. Kein wirklich großes Gewässer. Allerdings fächert er sich außerhalb des Stadtgebiets in recht große Seen auf, die als Naherholungsgebiet dienen.
Die nächsten Bilder zeigen, dass meine Berechnungen absolut stimmten: Der Parlamentspalast bzw. das Haus des Volkes lag perfekt im Sonnenschein und konnte dank morgendlicher Leere auf dem Platz davor wunderbar fotografiert werden. Ein Weitwinkelobjektiv ist allerdings Pflicht.
Man könnte dieses Gebäude als Paradebeispiel für die Kategorie “Wenn Diktatoren komplett größenwahnsinnig werden” einordnen. Trotz seines altehrwürdigen Eindrucks ist der Palast mit den Baujahren 1983 bis 1989 relativ jung und geht auf die seltsamen Vorlieben des damaligen Diktators Nicolae Ceaușescu zurück. Um genügend Platz für das Gebäude zu schaffen wurden gleich ein paar Dutzend Kirchen und drei Synagogen abgerissen. Ebenfalls wurde ein gesamtes historisches Stadtviertel dem Erdboden gleichgemacht.
Die Abmaße sind rekordverdächtig: Die Grundfläche beträgt 65.000 m², die bebaute Fläche 365.000 m². Allerdings ist es damit nur das zweitgrößte Verwaltungsgebäude der Welt: Das Pentagon in den Vereinigten Staaten besitzt mit 610.000 m² fast die doppelte überbaute Fläche.
Die Stromrechnung des Hauses beträgt alleine 1,7 Millionen Euro pro Jahr. Ganze 1.000.000 m³ Marmor ist in dem Gebäude verbaut. Kein Wunder, dass der Diktator das Haus so nicht alleine stehen lassen wollte. Direkt gegenüber des Gebäudes befindet sich der Piaţa Constituţiei. Dieser Platz wird auch gerne für Open Air Konzerte genutzt. Zuletzt spielten hier im Juli 2015 Robbie Williams und André Rieu.
Pompös geht es weiter: Natürlich ließ es sich der Dikator nicht nehmen, den Blick aus seinem Palastfenster mit einer drei Kilometer langen Prachtstraße abzurunden. Für den Bau des Bulevardul Unirii fräste sich Ceaușescu ebenfalls eine Schneise durch historische Bausubstanz und baute sich eigene Champs-Élysées aus Paris nach. Um sicherzugehen, dass auch französische Staatsgäste beeindruckt werden, ließ er die Straße um einen Meter breiter anlegen als das Original und verlängerte die Achse von 1900m auf 3000m.
Klar, dass ich versuchte, diesen Teil der Straße möglichst künstlerisch einzufangen.
Natürlich wäre es an dieser Stelle falsch, nur zu meckern. Rein architektonisch bereichert die Prachtstraße die Stadt und gibt gerade für Touristen die richtigen Motive und eine eindeutigen Wiedererkennungswert. Der Wert der Straße für die Einwohner Bukarests ist aber eher gering: Die Straße ist wenig belebt und stellt im Gegensatz zu Paris keine zentrale Einkaufsstraße mit Geschäften dar. Einzige Ausnahme ist eine große Mall am östlichen Ende des Boulevards an dem Vereinigungsplatz Piața Unirii (Vereinigungsplatz). Dieser Platz trägt seinen Namen übrigens nicht wegen eines historischen Ereignisses. Er beschreibt nur die Tatsache, dass hier die Stadtteile 1, 2, 3 und 4 aufeinander treffen.
Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es nun höchste Zeit war, Conny für die nächste Runde des Sightseeings abzuholen. Schließlich hatte sie sich nach harter Arbeit an ihrem freien Tag auch ein wenig Sightseeing verdient.
Den nächsten Teil des Sightseeings im Cișmigiu-Park gibt’s dann im nächsten Beitrag.
Vielen Dank an Blue Air und das Sheraton Bukarest für die Unterstützung bei dieser Städtereise in die Hauptstadt von Rumänien
Moin Phil,
Du hast schon Recht, die Prachtbauten und die Prachtstrasse sind von einem größenwahnsinnigen Irren angelegt worden. Wir können froh sein, dass AH nicht mehr dazu gekommen ist, aus Berlin seine gewünschte Germania zu machen. Dann wäre auch Berlins Herz zerstört.
Auf Deine Fotos allerdings wäre auch eine Leni Riefenstahl stolz. Du hast die Protzbauten so dargestellt, wie sie am schönsten rauskommen. Durch den Willen zum Sieg – sag ich da nur. Jetzt könnte man sich fragen, ob man das so will. Aber künstlerisch auf jeden Fall sehr gut gelungen.
Freue mich! Auf bald!
Servus,
Götz
@Götz: Wenn man ehrlich ist, sind die meistens Bauwerke, die wir heute als “Sehenswürdigkeiten” bezeichnen von Leuten angelegt worden, die sich in der Region Größenwahn befanden. Dabei spielt übrigens die Funktion “Diktator oder nicht” keine wirkliche Rolle: Denk mal an den Eiffelturm, die Freiheitsstatue oder diverse Siegestore. Und ob man Berlin wirklich noch weiter verschandeln kann, weiß ich auch nicht wirklich. Die Stadt hat für mich jetzt auch kein wirkliches Konzept.
Mit der Fotografie hast du natürlich Recht: Hier gibt es für mich keinen Grund einem Bauwerk für seinen bautechnischen Hintergrund “böse” zu sein. Hier steht für mich ganz und klar die Kunst im Vordergrund. Auch die Siegessäule und das Brandenburger Tor haben ihre Geschichte. Deswegen ist es noch lange nicht verwerflich, sie im schönsten Licht abzubilden. :)
Ich hoffe wir sehen uns bald mal wieder!
LG Phil
Hi Phil,
auch von mir ein dickes Lob für die Fotos.
Der Parlamentspalast ist aus der Ferne betrachtet wirklich der Hammer, hört man was dafür alles abgerissen wurde denkt man sich naja. Wie ist denn der Zustand des Gebäudes optisch, daß Gelände drumherum ist ja eher heruntergekommen?
Die Einkaufsmall steht doch hinsichtlich der vorhandenen Geschäfte sehr gut da, oder?
LG Stefan
Wirklich wunderschöne Fotos! Der Palast ist einfach umwerfend, aber auch andere Häuser machen einen sehr ästhetischen Eindruck.
Vielen Dank für diese wunderschöne Berichte über meine Stadt ;) Ich bin in Bukarest geboren und aufgewachsen und ich finde es schrecklich schade, dass Rumäniens Hauptstadt meist recht stiefmütterlich behandelt wird. Da ist man doch froh, einen positiven Bericht zu lesen – dem ich voll und ganz zustimmen kann.
Ich finde alle Teile dieses Berichtes sehr gut gelungen.
Über Kunst, Baustil und Diktatoren lässt sich ewig streiten.
Man bedenke, Paris wäre auch nicht Paris ohne Napoleaon.
Als gebürtiger Bukarester, der in dieser Stadt 38 Jahre verbracht hat, kann ich mich nur freuen über die hauptsächlich positiven Eindrücke und die wunderschönen Bilder des Verfassers.
Weil das Kennenlernen einer Großstadt mehr Zeit als nur einige Tage erfordert,
sind einige Fehler in den Beschreibungen zu entschuldigen. Ich möchte sie hier berichtigen:
1) Die Seen aam Rande der Stadt, die als Naherholungsgebiet dienen werden von einem anderen kleinen Fluß, namens Colentina gespeist.
Der durch die Stadtmitte fließende Fluß Dâmbovița, jetzt begradigt, hat nur den kleinen See mit den Booten im Cișmigiu-Park als ehemaliges Mäander hinterlassen.
2) Der Vereinigungsplatz ( Piața Unirii ) trägt seinen Namen tatsächlich von den politischen Vereinigungen einzelner Fürstentümer die zum heutigen rumänischen Staat führten. Moldau mit Walachei 1859 dann mit Transilvanien (Siebenbürgen) 1918. Bukarest ist in mehreren Bezirken (Sektoren) unterteilt. Zuerst waren es 4, dann 8, jetzt 6. Sie sind wie Tortenstücke vom Stadtrand her ausgelegt und treffen einander irgendwo im Bereich der Stadtmitte, nicht alle an diesem Platz.
Danke für deine weiteren Erläuterungen und auch Berichtigungen! Siebenbürgen würde übrigens auch noch auf meiner Wunschliste stehen!
LG Phil