Der Ausverkauf der Privatsphäre: Die Verabschiedung des unfassbaren Meldegesetzes in 57 Sekunden
Immer wieder hört man das Vorurteil, dass unangenehme Beschlüsse oder Gesetzesänderungen gerne in Zeiten verabschiedet werden, in denen gerade keiner hinschaut. Willkommene Anlässe sind hier zum Beispiel Fußballturniere. Dann sind die Medien meistens mit anderen Nachrichten gefüllt und viele Menschen auch anderweitig beschäftigt.
Dass an dieser Befürchtung durchaus etwas Wahres dran sein könnte, beweist folgendes Video, in dem die Verabschiedung des neuen Meldegesetzes (offizieller Name: “Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens”) im Bundestag gezeigt wird. Ganz 57 Sekunden dauert dieser gravierende Einschnitt in die Privatsphäre der Bürger, dessen Daten in Zukunft an jedes Werbeunternehmen zu “Verifikationszwecken” verkauft werden dürfen.
Die Abstimmung dauerte nicht nur weniger als eine Minute, sondern fand auch noch zur gleichen Zeit wie das Halbfinale Deuschland gegen Italien statt. Zum Zeitpunkt der Abstimmung (20:52) lief gerade die 12. Minute. Anhand der aufstehenden Personen lässt sich das Klientel sehr gut erkennen: Dafür stimmten 17 Abgeordnete von CDU, CSU und der FDP. 10 Abgeordnete der Linken, SPD und Grünen stimmten dagegen. Insgesamt waren somit 27 Personen zur Abstimmung erschienen. Insgesamt sitzen im Bundestag 620 Abgeordnete inklusive der Überhangmandate.
Hier noch einmal der gesamte Wortlaut des Gesetzes (die entsprechende Stelle habe ich fett markiert):
§ 44 Einfache Melderegisterauskunft
(1) Wenn eine Person zu einer anderen Person oder wenn eine andere als die in § 34 Absatz 1 Satz 1 oder § 35 bezeichnete Stelle Auskunft verlangt, darf die Meldebehörde nur Auskunft über folgende Daten einzelner bestimmter Personen erteilen (einfache Melderegisterauskunft):
1. Familienname,
2. Vornamen,
3. Doktorgrad und
4. derzeitige Anschriften sowie,
5. sofern die Person verstorben ist, diese Tatsache.
Sofern die Daten für Zwecke der Werbung oder des Adresshandels verwendet werden, sind diese anzugeben. Die betroffene Person hat das Recht, der Übermittlung ihrer Daten zu den in Satz 2 genannten Zwecken zu widersprechen; sie ist auf dieses Recht bei der Anmeldung nach § 17 Absatz 1 sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung hinzuweisen.
(2) Absatz 1 gilt auch, wenn Auskunft über Daten einer Vielzahl von Personen verlangt wird.
(3) Die Erteilung einer einfachen Melderegisterauskunft ist nur zulässig, wenn
1. die Identität der Person, über die eine Auskunft begehrt wird, auf Grund der in der Anfrage mitgeteilten Anga- ben über den Familiennamen, den früheren Namen, die Vornamen, das Geburtsdatum, das Geschlecht oder eine Anschrift eindeutig festgestellt werden kann, und
2. im Falle einer Angabe gemäß Absatz 1 Satz 2 die betroffene Person der Übermittlung für jeweils diesen Zweck nicht widersprochen hat.
(4) Es ist verboten, Daten aus einer Melderegisterauskunft zu Zwecken der Werbung oder des Adresshandels zu verwenden,
1. ohne dass ein solcher Zweck gemäß Absatz 1 Satz 2 bei der Anfrage angegeben wurde, oder
2. wenn die betroffene Person gegen die Übermittlung für jeweils diesen Zweck Widerspruch eingelegt hat. Dies gilt nicht, wenn die Daten ausschließlich zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden.
Einen guten Artikel über die Entstehung dieses Gesetz findet ihr auf abgeordnetenwatch.de.