Mit dem Schiff über den Rhein von Bonn nach Königswinter
Ich weiß nicht wie oft ich den Satz “Wir sind in Königwinter – nicht davor und nicht dahinter.” in diesen Tagen hörte. Während sich der Spruch bereits zu einem nervtötenden Ohrwurm verwandelte, von dem ich sogar nachts träumte, hatte ich von der Stadt selber bisher weder etwas gehört, noch etwas gesehen. Höchste Zeit, diesen Fakt sofort zu ändern. Ab an den Rhein und rauf auf den Kahn.
Was habe ich am Anfang des Jahres 2012 immer über das Wetter geflucht. Höchste Zeit an dieser Stelle mal ein paar lobende Worte anzustimmen: Fast drei Wochen Dauer-Sonnenschein gepaart mit Temperaturen, die auch brav nicht in den überextremen Bereich jenseits der 35°C abdriften. Ich kann es kaum glauben, aber der Sommer in Deutschland kann ja richtig Spaß machen.
Vorbei geht es an den heimlichen Wahrzeichen der Stadt Bonn: Der Post Tower, der mit seiner Glasfassade vom damaligen Architekten als “unsichtbar” angespriesen wurde und der Lange Eugen, die ehemalige Arbeitsstätte der Abgeordneten des Deutschen Bundestages und heutiger Sitz von insgesamt elf Organisationen der Vereinten Nationen.
Königswinter ist mit seinen 40.000 Einwohnern eine beschauliche Stadt direkt gegenüber von Bad Godesberg auf der rechten Seite des Rheins und besitzt eine lange Tradition im Weinanbau. Landschaftlich wird es besonders geprägt durch seine Lage direkt am Fuße des Siebengebirges und wird deswegen gerne als Ziel für den Sonntagsausflug der gestressten Bonner benutzt. Na, wenn das denen gefällt, dann muss ich mir das doch auch mal aus der Nähe anschauen.
Nach dem Anlegen und einem kurzen Spaziergang am Rhein ging weiter zu der Hauptattraktion der Region: Dem Drachenfels.
Man muss es sich schon auf der Zunge zergehen lassen, wenn man für diesen Hügel das Prädikat “meistbestiegener Berg Deutschlands” benutzen kann. Seit 1883 wird der wanderwillige Tourist von der Drachenfelsbahn unterstützt und muss den Weg zum Gipfel nicht mehr zu Fuß zurück legen. Diese Bahn ist übrigens die älteste der vier noch in Deutschland eingesetzten Zahnradbahnen. Früher konnte der Materialtransport über die steile Strecke nur mit Eseln bewältigt werden.
Natürlich wurde der Fuhrpark der Zahnradbahn mit der Zeit erneuert, so dass heute leider keine mit Dampf befeuerten Lokomotiven mehr sondern “moderne” Triebzüge aus den Jahren 1955-1978 zum Einsatz kommen. Aus meiner Sicht die absolut richtige Entscheidung. Ich liebe historischen Züge auf solchen Strecken!
Bevor wir den Gipfel mit dem Bähnlein erklommen, legten wir knappe 100 Höhenmeter oberhalb der Talstation einen Zwischenstopp bei Schloss Drachenburg ein. Und hier ist die Vokabel “Touristenmagnet” keinesfalls gelogen.
Nur die Sonne schien am heutigen Tage etwas gegen mich zu haben: Pralles Gegenlicht kicherte mir in die Linse, während ich die Schokoladenseite des Gebäudes zu fotografieren versuchte. Aber ich hatte Glück und mir gelang nach mehreren lauten Flüchen diese eindrucksvolle Aufnahme.
Beim Schloss Drachenfels muss man mit der Bezeichnung etwas vorsichtig sein. Keinesfalls handelt es sich um ein herrschaftliches Gebäude im adligen Sinne. Vielmehr sehen wir hier ein schlossähnliche Anwesen, das 1882 in einer Mixtur von mittelalterlichen Baustilen von Stephan von Sarter gebaut wurde. Dieser wollte den Einwohnern seiner Heimatstadt Bonn nach einer schweren Kindheit und einem darauf folgenden kometenhaften Aufstieg als Börsenmakler zeigen, wo der Hammer hängt und knallte ihnen diese Burg vor die Haustür. Bezeichnen wir sein Handeln mal als “Angeben mit Stil”.
Nach Vollendung des Prunkbaus erlebte das Gebäude keine allzu glückliche Geschichte: Sarter selbst verbrachte keine einzige Nacht darin und nach seinem Tod wechselte die Burg in rasender Geschwindigkeit seine Besitzer: Ein Geschäftsmann ging mit einer Art Vergnügungspark im Schloss pleite, eine katholische Internatsschule musste zwangsweise schließen, im Zweiten Weltkrieg wurde die mittlerweile eingerichtete Kader-Schule schwer bombardiert und nach dem Krieg benutzte die Bahn das Gebäude für 13 Jahre als Bahnschule bis es schließlich sich selbst überlassen wurde.
Erst 1971 erbarmte sich der reiche Privatier und Lebemann Paul Spinat, kaufte das Schloss und restaurierte es mit großem Elan. Spinat selbst war Exzentriker, der die Burg gerne zur eigenen Darstellung benutzte, in dem er mit einem goldenen Rolls Royce durch die Gegend knatterte und mit Phantasieunformen diverse Gäste in “seinem” Schloss zu Festen oder gefaketen Orgelkonzerten einlud.
Noch heute knirschen Historiker mit den Zähnen, wenn sie an die teilweise “unkonventionellen” bzw. diskussionswürdigen Restaurationen von Wandgemälden oder sonstige Umbauten von Spinat denken, der bis zu seinem Tod im Jahr 1989 auf dem Schloss lebte. Dennoch half er Schloss Drachenfels vor dem Abriss zu bewahren und wurde sogar 1986 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
So hochinteressant die Geschichte dieses Gebäude auch ist, muss ich an dieser Stelle noch ein paar Worte über unsere Führung verlieren. Mit dem Einfühlungsvermögen einer Schlagbohrmaschine fräste sich unser schwäbischer Guide gemäß des Mottos “Schaffe, schaffe, Führung durchpresse” durch seinen Rundgang. Dabei machte er auch vor verbalem Druck nicht Halt und versuchte seine Zuhörer in Windeseile durch die ehrwürdigen Hallen schieben. Eine durchaus überdenkenswerte Taktik, die die Führung durch die geschichtsträchtigen Gemäuer zu einer Abfolge aus zackigen Kommandos wie “Schnell jetzt alle da hin!“, “Sie wurden mir als schwierige Gruppe angekündigt.” oder “Ich will, dass sie als meine Gruppe zu jeder Zeit erkennbar zusammen bleiben! Das hat auch was mit Respekt zu tun” werden ließ.
Eine etwas entspanntere Herangehensweise hätte auf keinen Fall geschadet. Das Gefühl einer “Europe-in-four-Days“-Tour während einer Schlossführung bringt weder dem Guide noch mir als Zuhörer etwas. Hätte ich mir beim Durchschlendern auf dem Smartphone den Wikipedia-Artikel durchgelesen, hätte das wahrscheinlich mehr gebracht.
Ein letzter Aufstieg auf den Gipfel stand noch aus. Und so enterten wir noch einmal die Drachfelsbahn um bis zum Endstation auf 289m zu fahren.
Hier oben empfing uns ein wunderbares Rheinpanorama, das mich trotz eines gewissen Dunstes bis nach Bonn blicken lies. Der Lange Eugen und der Post-Tower sind sehr gut zu erkennen.
Der Drachenfels selbst wird von der Ruine der Burg Drachenfels (Achtung Verwechslungsgefahr: Burg vs. Schloss) gekrönt. Die glücklichen Jahre der Burg waren bereits 1634 vorbei, als große Teile bereits irreparabel zerstört wurden. Bis 1807 drohten sogar die letzten Überreste zu kollabieren, als diverse Steinbrüche in der Nähe mit ihren Abbaugebieten immer näher rückten. Die Abbauarbeiten wurden schließlich über die Jahre gestoppt um eine komplette Zerstörung zu verhindern. In den 70er Jahren des vergangen Jahrhunderts sicherte man die Ruinen dann in der heutigen Form mit Stahl und Beton um wenigstens die kläglichen Überreste zu erhalten.
Und so endete unser Sightseeing-Tag in Königswinter, den wir natürlich auch wieder mit einer kleinen Schifffahrt zurück nach Bonn ausklingen ließen.
Ich als Weit-Weg-Blogger habe mal wieder viel über die Schönheit von deutschen Sehenswürdigkeiten, Städten, Burgen und Flüssen gelernt. Anscheinend übt die Region rund um den Drachenfels eine magische Anziehungskraft auf außerordentliche Personen aus: Größenwahnsinnige Bankiers, Egozentrische Selbstinszenierer und überhektische Burgführer soweit das Auge reicht. Aber das ist schon in Ordnung. Ohne diese Herren wäre es eben nur ein Tag wie jeder andere gewesen.
Es war in Königswinter. Nicht davor und nicht dahinter. Es war gleich mittendrin. Als ich damals auf dich reingefallen bin. Lalalaaaaaaaaaaaaaaaaaa. :-)
Schokoladenseite? Wenn das nicht untertrieben ist. Ich würde es glatt Nutellaseite nennen. Wirklich ganz tolle Fotos, lieber Phil!
“Schaffe, schaffe, Führung durchpresse” Ja, sehr treffend formuliert.
Liebe Grüße
Jessi
@Jessi: Meine Güte, ich scheine ja wirklich einen absoluten Welthit verpasst zu haben. Wie konnte der nur an mir vorbei gehen. Das Wort “Nutellaseite” werde ich gleich in meinem Wortschatz übernehmen.
LG Phil
Sehr schöne Bilder, vieles kenne ich noch garnicht, obwohl ich in der Kante wohne. aber so ist das immer. Liebe grüsslis
Sehr schöne Bilder von unserer jetzigen Heimat. Auf Schloss Drachenfels werde ich im Urlaub noch gehen, das ist versprochen. Den Text des Liedes kannte ich auch nicht. Hier der gesamte Text:
Es war in Königswinter Songtext:
Es war in Königswinter, nicht davor und nicht dahinter
Es war gleich mittendrin, als ich damals auf dich reingefallen bin
[…]
@Mum & Dad: Ja, ihr lebt wirklich in einem schönen Eckchen. Gerade um die Nähe zum Rhein seid ihr wirklich zu beneiden. Die Burg ist ein super Sonntags-Ausflug, auch wenn ich mir persönlich ein wenig mehr Originalität wünschen würde. Herr Spinat hat sich dort retortenmäßig wirklich ordentlich ausgetobt.
LG Phil
Ich sage nur “Karneval”! :-)
Aber hallo! Dieses Wort ist extra für dich erfunden worden!
Liebe Grüße
Jessi
Wow, das Schloss ist aber märchenhaft!
Das muss ich auf jeden Fall besuchen :D
@Julia: Es sieht von außen wirklich sehr nett aus. Von innen merkt man aber die “Modernität”. Welches Schluss hat denn schon eine werksseitige Zentralheizung :]
LG Phil
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Wie immer schöne Bilder, Phil.
Warst du wieder mit deiner Fotogruppe unterwegs? :D
LG, Ulli
Aber klaro! Ich hab’ doch immer meinen ganzen #Fotoclub-Tross dabei, den ich hinter mir her schleppe ^^
LG Phil
Bonn ist eine sehr angenehme kleine Stadt. Das Volk ist wirklich sehr freundlich und es gibt viele Möglichkeiten für einen Tagesausflug.
Wie auch immer, schöne Fotos.
LG
Marion
Aufgrund Urlaub zwar etwas verspätet, aber auch von mir Lob für die Bilder von meiner Heimat!
Ich war gestern bei herrlichem Wetter noch auf dem Drachenfels (zu Fuß) – den Ausflug kann ich jedem wärmstens ans Herz legen. Angeboten hätte sich noch ein Abstecher zum Petersberg, dort ist das ehemalige Gästehaus der Bundesregierung nun als frei zugängliches Hotel zu finden!