Reisebericht Ungarn Tag 2 – Segeln auf dem Plattensee, Halbinsel Tihany & Bootsfahrt in Budapest
Der nächste Morgen war gekommen: Strahlende Sonne, blauer Himmel aber unter den Augen meiner tapferen Mitstreiter entdeckte ich tiefe Ringe und zusätzlich verdammt kleine Pupillen.
Nein, nicht das was ihr denkt! Viel mehr hatte akuter Schlafmangel eiskalt zugeschlagen, bedingt durch dünne Wände und fehlende Klimaanlagen.
Probleme, die an mir fast spurlos vorbei gegangen waren. Meine importierte Müdigkeit und die Nachwirkungen einer latenten Überdosis Koffein brachten mich bereits vor dem Aufschlagen auf dem Kopfkissen ins Land der Träume.
Aber bleiben wir kurz beim Hotel. Schon beim Anblick von außen konnte man die Jubelschreie der Architekten der 60er oder 70er Jahre hören: Mit der patentierten Bettenburg™ hatte man die vermeintliche Lösung für den einsetzenden Massentourismus gefunden: 0815-Bauweise, Zweck vor Ästhetik und wesentlich günstiger als traditionelle Behausungen gleicher Größe.
Nicht, das ich grundsätzlich etwas gegen Brachialbauten hätte, aber das Problem von 30°C heißen Zimmern ist doch kein Phänomen der Neuzeit. Waren unsere Eltern als Urlauber etwas schmerzbefreiter? Gerade bei solchen Bienenstöcken wäre doch selbst die Nachbestückung mit externen Klimakästen möglich gewesen.
Aber hey, ich möchte dieses Hotel keinesfalls zu negativ darstellen. Denn preislich ist der Balaton nicht uninteressant. Ich bin ein Freund vom günstigen Reisen und solche Hotels regeln ihre Attraktivität nun einmal über den Preis. Ein kurzer Preischeck bei einschlägig bekannten Portalen ergab Preise ab 350€ pro Person für 7 Tage mit Flug, Transfer und Halbpension – wohl bemerkt kurzfristig (!) für Termine in den Sommerferien (!).
Das sind definitiv Kampfpreise, die selbst gleichpositionierte Türkeiangebote um Längen schlagen können.
Natürlich ist ein Hotel wichtig. Aber es ist eben auch nur Mittel zum Zweck.
Nach 24 Stunden am Plattensee konnte ich es gar nicht erwarten, endlich auf bzw in den See zu kommen. Und das Gefährt, das mich erwartete, sollte mich über beide Ohren grinsen lassen.
Mein Vorfreudepegel ging gleich noch mehr durch die Decke, als ich hörte, dass es auf großen kleinen Segeltörn gehen sollte. Als stolzer Inhaber eines am Chiemsee erworbenen Segelscheines (und seit kurzem Besitzer eines eigenen kleinen Bootes) bin ich anscheinend gerade wieder in meiner Boote-sind-geil-Phase angekommen.
Wie war das noch gleich: Lieber ein Auto oder ein Boot? – Natürlich ein Boot! Das hat nämlich zwei “o”s und ein Auto nur eins.
Der Ehrlichkeit halber muss ihn natürlich erwähnen, dass meine eigene Nussschale nicht mit so einem Kreuzer vergleichbar ist. Unser Grüppchen verteilte sich trotz seiner Größe prima an Deck, so dass niemand sich auf den Füßen stand. Wenn ich heute noch an den sanften Grünton des Plattensees zurück denke, frage ich mich wirklich, warum ich jemals wieder von Bord gegangen bin.
Wer hätte gedacht, dass man eine solche Wasserfarbe auch außerhalb karibischer Gewässer quasi direkt vor der europäischen Haustür findet?
Auch der obligatorische Badestopp inklusive impulsiv gesprungenem und nullfach gedrehtem Flachköpper von Deck in den angenehm warmen See durfte nicht fehlen. Und dass uns unser Skipper verbotenerweise mit Motorkraft ein kleines Stückchen an einer langen Leine hinter dem Kutter her zog, sei hier auch nur ganz leise am Rande erwähnt.
Doch irgendwann war auch diese Bootstour vorbei und wir mussten trotz Hundeblick von Bord gehen. Tja, und das war’s auch schon aus Balatonfüred. Bevor wir allerdings die Region Balaton komplett verließen, stand noch einmal etwas Kultur auf dem Plan: Auf nach Tihany.
Tihany ist der Name einer riesigen Halbinsel, die den See in einen Süd- und einen Nord-Teil trennt. Bei einer durchschnittlichen Breite von 7,9km wird der Plattensee hier auf doch merklich kleinere 1,3km eingeschnürt. Ideale Bedingungen für jährliche Durch-den-See-schwimm-Wettbewerbe (meinen großen Respekt an die Teilnehmer) und natürlich tolle Fotos.
Die Halbinsel beherbergt ansonsten noch zwei vulkanische Kraterseen und die typische Architektur der Region, die ähnlich wie an der Nordsee aus mit Reed gedeckten Dächern besteht.
Nette Architektur, die natürlich auch gerne für die Touristen in Schuss gehalten wird.
Als Wahrzeichen der Insel gilt die Abtei Tihany, die 1055 durch Billigung von König Andreas I gegründet wurde. Andreas kam auch auf die glorreiche Idee, dort eine Ruhestätte für die Monarchie zu gründen.
Leider verscherzte er sich die Sympathie seiner Sippe, in dem er kurz vor seinen Tod nicht ganz erbfolgekonform spontan seinen fünfjährigen Sohn zum König krönte. Deswegen blieb er auch der einzige dort begrabene Landesfürst.
Nach diesem finalen Abstecher sattelten wir unseren Bus und machten uns auf die Fahrt nach Budapest. Gute zwei Stunden sollte man für die Fahrt über die M7 einplanen. Generell ist der Plattensee verkehrsmäßig wirklich hervorragend angebunden: Sämtliche Städte sind zusätzlich zu den Straßen an ein Zugnetz angebunden, welches nach Budapest und Triest führt. Selbst ein Flughafen (Hévíz-Balaton Airport SOB/LHSM) ist am Westufer vorhanden, der ab Deutschland im Charterverkehr angeflogen wird.
Dennoch habe ich die meisten Pauschalreisen mit der Kombination aus Flugziel Budapest + Bustransfer gefunden.
Soviel zur Anbindung des Plattensees an die Welt. Doch nun waren wir in Budapest angekommen. Mit 1,7 Millionen Einwohnern etwa genau so groß wie Hamburg.
Eigentlich hatte ich an diesen Abend keine besonderen Erwartungen gestellt, schließlich hatte mich die Segelbootstour am Morgen bereits völlig umgehauen. Auch die schon sehr tief stehende Sonne ließ in mir eher den Wunsch nach einem gemütlichen Ausklang des Tages reifen. Um so skeptischer war ich, als es noch einmal hinaus ans Ufer der Donau ging…
Es konnte ja keiner ahnen, dass Budapest und ich doch noch an diesem Abend auf Tuchfühlung gingen. Ein weiteres Boot stand für uns bereit. Und dieses Mal sollte nicht der Wind für den passenden Antrieb sorgen. Denn “Kraft” kommt von “Kraftstoff”.
Was war das für ein Ritt! Am Anfang bewegte unser Kapitän die Mühle noch sachte und mit viel Gefühl stromabwärts über die Donau. Allerdings beschlich mich zu diesem Zeitpunkt bereits die Ahnung, dass der Herr sich nur in die richtige Ausgangsposition brachte.
Stromaufwärts trimmte er dann den Z-Antrieb gewaltig nach unten, um unter den Klängen von gut selektiertem Hard-Rock dem Boot gewaltig die Sporen zu geben. Mein lieber Herr Gesangsverein, wo bekomme ich so ein Boot her? Natürlich hatte ich meine Kamera bereits vorher samt Stativ im Cockpit schlag-, hüpf- und stoßfest verkeilt. Das Ergebnis könnt ihr euch in diesem 5-minütigen Film anschauen:
Glücklich und mit einem Dauergrinsen im Gesicht endete dieser Tag dann mit großer Vorfreude auf den dritten und zum Glück noch nicht letzten Tag.
Freut euch auf noch ein paar mehr Eindrücke von Budapest.
Ich seh schon, ich muss für nächstes Jahr unbedingt eine Ungarn-Reise einplanen. Auf der Liste stand es sowieso schon, nach deinen bzw. euren Berichten schreit es aber nun nach einer baldigen Umsetzung der Reisepläne.
Für so eine Segeltour könnte ich mich auch begeistern. Ich war ja bisher nur einmal Segeln und es war der Hammer: Drei Tage durch die Whitsunday Islands. http://fernausloeserin.de/2013/05/06/segeltour-zu-den-whitsunday-islands-ein-ausflug-ins-paradies/
Die Hotelpreise sind ja auch unschlagbar. Die Preise in der Türkei können damit eher nicht mithalten.
LG, Ulli
@Ulli: Ja, Ungarn lohnt sich wirklich. Wobei es mir auf dem Wasser wirklich am besten gefallen hat.
Dein Bericht sieht aber auch nicht schlecht aus. Besonders die Schnorchel-Schnute macht sich wirklich gut auf Fotos!
LG Phil
oh je das Annabella! Auf deinen Bildern wirkt es fast ästhetisch! ;-) aber du hast völlig recht, es entspricht vielleicht auch nicht ganz meinem Reisestandard, dennoch scheint es aber eine Zielgruppe zu geben und mal abgesehen von der nicht vorhandenen Klimaanlage in einem 35 Grad warmen Zimmer war es sonst ganz ok, sehr sauber, geräumig und der Service war auch ok.
Ich bin definitiv auch in einer Boote-sind-geil-Phase!!!! Eine Segeltour ist einfach das geilste auf der Welt! Falls du mal Gesellschaft auf deinem Boot auf dem Chiemsee brauchen solltest, stelle ich mich gern zur Verfügung! :-)
Ansonsten ein toller Bericht mit wunderschönen Bildern! Aber nichts anderes habe ich erwartet, von einem Kameramann, der sich mit vollem Körpereinsatz so ins Zeug legt, für ein gutes Bild!
LG aus Frankfurt, Nicole
@Nicole: Ich glaube ich muss dein Foto, dass mich in putzender Haltung zeigt, unbedingt noch dazu stellen. Selbst unser Kapitano hätte ja fast das Steuer losgelassen, als er merkte, dass ich seine Scheibe säubere. :]
Gesellschaft auf meinem Boot ist übrigens jederzeit willkommen. Laut Handbuch passsen 4-5 Personen ohne Probleme drauf. Mein Revier ist übrigens nicht der Chiemsee, sondern ein Stausee in der Nähe von Augsburg!
LG Phil, der im Moment sogar ne App auf dem iPhone hat, die ihm sagt, wo gerade welcher Wind weht …
Hach – herrlicher Bericht, der wieder schöne Erinnerungen weckt – nur: Warum hast Du die gesamte Kutschtour mit Weinprobe offensichtlich verschlafen? Dachte, ich hätte Dich dabei auch gesehen *g*
Und flussaufwärts und abwärts.. ja mei… solange das mit den Windrichtungen beim Segeln klappt *g* – es war natürlich genau umgekehrt ;))
@Hubert:
Hoppla, die Donau fließt ja ins Schwarze Meer :) Hab’s gleich gefixt. Beim Segeln ist das zum Glück total wurscht.
Ansonsten musste ich dieses Mal einfach Prioritäten setzen. Und da hat das Wasser halt eindeutig gewonnen.
LG Phil
Tolle Bilder, der Segeltörn muss ja herrlich gewesen sein. Und mein Häuschen ist auch dabei gewesen, die Töpferkate, ein Traum. Liebe Grüsse
Wie um alles in der Welt konntest Du dieses Hotel nur so fotografieren, dass es gar nicht sooo schlimm aussieht? Unfassbar! ;-)
Ich wundere mich auch total über den Wochenpreis. Denn auf der Karte im Hotel stand, dass das Hotel am Tag 140 Euro für 2 Personen im Doppelzimmer kostet…merkwürdig.
@Nina: Beim Hotel war auch ein bisschen Gimp dabei ;) In echt sah das gaaaanz anders aus.
Die Zimmerpreise sind doch immer Mondpreise. Das sind nur gesetzlich angemeldete Maximalpreise. Ich habe noch NIE einen solchen Preis in einer Pauschalreise gezahlt.
Bei den im Zimmer oder an der Rezeption angeschlagenen Preisen kannst du froh sein, wenn sie nicht vierstellig sind.
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Einmal was Anderes. Immer weiter so.