Reisebericht Bordeaux Tag 2 – Austern auf dem Schiff von Arcachon zum Cap Ferret & Dune de Pilat
Am ersten Tag meiner Bordeaux-Reise benötigte ich zuerst eine kleine Orientierung auf der Karte. Klar hat fast jeder schon von der Stadt Bordeaux gehört. Und selbstverständlich denkt jeder dabei sofort an 0,75er Flaschen mit traubenhaltigen Getränken. Aber könntet ihr die Stadt Bordeaux bzw. die Region Aquitanien sofort auf einer Karte finden?
Werfen wir also einen kurzen Blick von oben auf die Region des heutigen Reiseberichts:
Aber von Anfang an: An diesem Morgen befand ich mich im kleinen Örtchen Arcachon, das fast an der Atlantik-Küste liegt. Wie im oberen Bild erkennbar, stimmt das nur halb. Denn das Bassin d’Arcachon ist ein riesiges Becken, das durch das Cap Ferret (im oberen Bild ist dies die Landzunge auf der linken Seite) vom Atlantik abgeschirmt wird. In Verlängerung der Mündung liegt der Badeort Arcachon.
Arcachon durchlief die typische Entwicklung eines Badeortes: Während in den früheren Zeiten das Element Wasser als ziemlich uncool galt, Baden aus Hygienegründen als völlig unnütz abgetan wurde und Schwimmen total verpönt war, wuchs Arcachon zu einem verschlafenen Fischerdorf heran.
Mit der Entdeckung der Badekultur und der heilenden Wirkung von Meeresluft für Krankheiten wie z.B. der Tuberkulose, stürmten gestresste und kranke Stadtmenschen aus den Städte ans Meer. Und schon hatte sich das Image von Arcachon über Nacht um 180° gedreht.
Natürlich mussten die Einwohner improvisieren, um zwar auf der einen Seite vom lukrativen Geldfluss der kranken Leute zu profitieren, sich jedoch auf der anderen Seite vor der Ansteckungsgefahr der siechenden Patienten zu schützen.
Als Lösung kam da der leicht erhobene und landeinwärts gelegene Stadtteil von Arcachon gerade recht, auf dem die Kranken ihre Unterkunft fanden. Auf diese Weise wurde die Stadt historisch in eine Winterstadt und eine Sommerstadt geteilt. Den Fotografen freut das heute sehr: So gibt’s einen idealen Punkt, um die Stadt von oben bis zum Meer zu überblicken.
Heute lassen sich die Kranken selbstverständlich professionell in ganz Frankreich behandeln. Dennoch blieb an Arcachon das Image des exklusiven Kurorts hängen, welcher gerne als Ausflugsort bzw. Wohndomizil für den Altersruhesitz genutzt wird. Gerade die Mittelmeerküste gilt in Frankreich als mittlerweile unerschwinglich und überlaufen.
Ich persönlich konnte meinen Drang eine Immobilie zu erwerben jedoch gerade noch im Zaun halten. Stattdessen freute ich mich, endlich auf’s Wasser zu gehen. Wie viele Strandbäder verfügt auch Arcachon über einen ordentlichen Steg mit der Andockmöglichkeit für kleine Fähren, die Passagiere quer über das Bassin transportieren.
Hier konnte ich auch einen näheren Blick auf die Flagge von Arcachon werfen: Gelb für die Farbe des Strandes, weiß für die Schaumkronen auf dem wilden Wasser des Atlantiks und Schwarz für die dunklen Pinienwälder, in denen nach einer Legende jeder Anwohner soviele Bäume schlagen darf, wie er tragen kann.
Auf dem Boot, das mich von Arcachon zum eingangs erwähnten Cap Ferret bringen sollte, lernte ich dann die Spezialität von Arcachon kennen: Die Austern. In riesigen „Farmen“ in der Mitte des Bassins werden Baby-Austern etwa drei Jahre gezüchtet, bevor sie geerntet und serviert werden.
Hier ein Blick auf die riesigen Labyrinthe aus Stegen, an denen die Austern in Käfigen im Wasser hängen. Die bewegungsunfähigen Muscheln bestehen im Prinzip nur aus einer harten Schale, einem Verdauungstrakt im Inneren und über einen Schließmuskel, mit dem das Tier selbst außerhalb des Wassers seinen Schalendeckel über Tage geschlossen halten kann. Dadurch ist es völlig unmöglich, eine noch lebende Muschel ohne Werkzeug nur mit menschlicher Kraft zu öffnen.
Natürlich muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass das Essen von Austern durchaus kontrovers diskutiert werden kann. Denn immerhin werden die Tiere lebend gegessen: Der Kenner erkennt eine frische (lies: noch lebende) Auster daran, dass sie leicht zusammen zuckt, wenn man das Innere mit Zitronensaft beträufelt. Auf der anderen Seite besitzen Austern kein Gehirn und nur ein rudimentäres Nervensystem. Dennoch würde mich eure Meinung zu dem Thema wirklich interessieren.
Das Bassin d’Arcachon unterliegt übrigens sehr stark den Gezeiten, weswegen große Teile des Beckens zweimal am Tag trocken liegen. So müssen Fähren und die Pinassen der Fischer sich tunlichst auf immer gefluteten Kanälen bewegen, um nicht auf einmal auf einer Sandbank aufzuliegen.
Für mich als Segler, der jede Grundberührung vermeiden will, ist ein solcher Anblick eher ungewohnt:
Jetzt aber weg von sentimentalen Gefühlen bezüglich Kratzer im GFK und hin zu einmaligen Wunderwerken der Natur. Bereits aus der Überfahrt konnte ich die letzte Station des heutigen Tages erspähen: Die Dune de Pilat.
Ich bin mir sicher, dass euch die folgenden Bilder komplett umhauen werden. Ein Außenstehender dürfte große Zweifel am kollektiven Geisteszustand hegen, wenn eine Horde von Touristen die ganze Zeit jede Menge Sand fotografiert. Allerdings handelt es sich hier um nichts Geringeres als die größte Wanderdüne in Europa.
Bei der Schreibweise herrscht internationale Uneinigkeit: Manche bezeichnen die Düne als Dune de Pilat andere bevorzugen die vermeintlich „coolere“ Bezeichnung Dune de Pyla, die anscheinend vor allem Amerikaner bevorzugen. Der Name ist allerdings vollkommen wurscht, wenn man die eigens angebrachte Treppe nach oben besteigt. Ganz sportliche Menschen können auch die extreme Steigung der landeinwärts zeigende Seite ohne Steige bezwingen. Die Verletzungs- bzw. Absturzgefahr ist gleich Null. Wenn man fällt, fällt man sanft.
Oben angekommen bemerkt man erst die Dimensionen dieses Sandmonsters: Fast drei Kilometer lang erstreckt sie sich mit einer Breite von etwa 100 Meter entlang der Mündung des Bassins. Dabei schwankt ihre Höhe um etwa 100 Meter. Da die Düne ständig in Bewegung ist, frisst sie sich unaufhaltsam durch den angrenzenden Pinienwald.
Ist es schon fast ein bisschen bizarr, dass die Kronen von bereits abgestorbenen Bäumen noch teilweise aus dem Sand schauen.
Trotz der Eigenschaft als Touristenmagnet ist die Düne ohne Eintrittspreis zugänglich. Wer spontan Lust bekommen hat, kann zum Beispiel mit dem Zug von Bordeaux nach Arcachon fahren und dann weiter mit dem Bus zur Düne.
Ein wenig touristisch ist das Umfeld natürlich trotzdem: So darf man sich über jede Menge Kioske mit allerhand Krimskrams wie T-Shirts oder Badetücher nicht großartig wundern.
Bei dieser Reise wurde ich von dem französischen Fremdenverkehrsamt unterstützt. Danke dafür!
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