Reisebericht Berner Oberland Tag 4 – Der Hafenkran von Zürich
Mit der Stadt Zürich habe ich eine ganz besondere Beziehung. Ironischerweise stand sie besonders in meinen früheren Reiseberichten ständig als Zwischenhalt auf meinen Fahrplänen, ohne dass ich jemals nur für ein paar Minuten den Bahnhof verlassen hatte. Irgendwann entwickelte sich daraus schon fast so eine Art Running Gag, bei dem ich immer nur das Bahnhofsschild fotografierte, bevor ich in einen Zug auf dem Nachbargleis umstieg. Nachdem ich es irgendwann geschafft hatte, wenige Minute auf die Straße vor dem Bahnhofsgebäude zu treten, fasste ich den Entschluss endlich einen kompletten Städtetrip nach Zürich zu planen.
Gesagt, getan: Und so nutzen Conny und ich die neuen Fernbusse aus, um ein paar Tage in der Stadt am Zürichsee zu entspannen. Dabei entstand sogar folgendes Reisevideo:
Natürlich lag auch bei unserer Schweiz-Reise die Stadt Zürich auf der Reiseroute. Während Conny und ich bei der Hinfahrt ins Berner Oberland wieder in alte Muster zurück fielen und mit unseren Füßen wirklich nur geschätzte 10 Meter Zürcher Erdboden während des Umsteigens berührten, hatten wir für die Rückfahrt einen Stopp eingeplant. Da wir an uns in Bern brav an unseren Zeitplan gehalten hatten, hatten wir definitiv eine gute Stunde in der Stadt an der Limmat.
Über das Wetter werde ich an dieser Stelle keine Worte mehr verlieren. Egal, wie sehr die Sonne geschienen hätte, die Bilder von unserer letzten Reise nach Zürich hätten wir eh nicht toppen können. Dementsprechend rutschte uns das triste Grau der tiefhängenden Wolken einfach den Buckel runter. Um es genau zu sagen: Die Stimmung hätte gar nicht besser zum heutigen Tagesziel passen können: Der Hafenkran wartete auf uns.
Hafen? Kran? Wie bitte?
Ja, ihr seht richtig. Mitten auf dem Rathausplatz befindet sich im Moment ein waschechter Entladekran für Frachtschiffe direkt an der Limmat. Wer jetzt verzweifelt einen Sinn hinter dieser Errungenschaft sucht, der darf sehr lange grübeln. Es dürfte in Zürich im Moment nämlich nichts Unnötigeres als diesen Kran geben.
Schaut man genau auf die Brückenkonstruktionen der Limmat, bemerkt man sofort die äußerst geringe Durchfahrtshöhe, bei der selbst die normalen Passagierschiffe ihre größte Mühe haben. Es dürfte völlig ausgeschlossen sein, dass ein Frachtschiff den Weg aus dem Zürichsee hierher schafft, ohne sich vorher den kompletten Decksaufbau abzurasieren.
Nein, dieser Kran hat wirklich keine Funktion: Es handelt sich hierbei einfach um eine temporäre Kunstinstallation im Rahmen des Projektes zürich transit maritim, das eine fiktive Geschichte von Zürich als 2000 Jahre alte Hafenstadt erzählt.
Gekauft wurde dieser Hafenkran in Rostock, wo er nach mehr als 50 Jahren ausgemustert und verschrottet werden sollte. Da die Zürcher anscheinend schon immer mal Hochseehafen spielen wollten, retteten sie den Kran vor dem Schneidbrenner und gaben ihm für mehrere 100.000€ ein neues Zuhauses. Der alte Eisenkolloss bekommt so nun ein gutes Jahr sein Gnadenbrot und darf als Kunst am Zürichsee betaunt werden, bevor er 2015 endgültig abgebrochen und entsorgt wird.
Highlight des kompletten Projektes wird das Hafenfest vom 04.06 bis 06.06.2014.
Übrigens: Auch wenn man die genaue Geschichte des Krans nicht kennt, kann man leicht seine Betriebsunfähigkeit erkennen: Im unteren Bereich der Laufschiene war anscheinend eine Laterne im Weg, so dass die die Kranschiene kurzerhand in zwei Teile zerschnitten wurde. Dieser Koloss bewegt sich jedenfalls keinen Meter mehr.
Leider mussten wir uns an dieser Stelle selbst daran erinnern, dass wir immer noch auf der Heimreise waren und eben nicht auf einem Städtetrip. Aus diesem Grund schafften wir es nicht einmal bis zum Zürichsee und drehten an der Münsterbrücke wieder um und schlurften entlang der Limmat zurück zum Hauptbahnhof. Auch das Großmünster sah bei diesem Wetter eher etwas trist aus.
Zurück am Bahnhof spielten wir noch unseren großen Trumpf aus. Wie auch in Deutschland berechtigt ein 1. Klasse-Ticket für den Fernverkehr zum Betreten der SBB Lounge im dritten Stock des Bahnhofes. Was man hat, hat man. Also ab in die Lounge.
Für Vielflieger bzw. Vielreisende dürfte so etwas keine Besonderheit darstellen. Für mich war es tatsächlich der erste Lounge-Besuch in meinem Leben. Und das doch tatsächlich an einem Bahnhof und nicht – wie ich persönlich es mir eigentlich eher gedacht hätte – an einem Flughafen. Klar, man sollte eine Ort wie diesen jetzt nicht überbewerten. Der Schweizer weiß aber trotzdem, wie man Zugreisenden ein angenehmes Päuschen angedeihen lässt.
Nebenbei konnten wir noch den Höhepunkt der Schweizerischen Fußballs miterleben: Der FC Zürich bezwang genau in diesen Sekunden in der Verlängerung zum achten Mal den Schweizer Cup mit einem 2:0. Auf Autokorso oder sonstige Feierlichkeiten wartete ich vergeblich. Man darf sich das so vorstellen, als würde der FC Bayern das Finale des DFB-Pokals gewinnen – während die Fans ins München diese Tatsache wohlwollend zur Kenntnis nehmen.
Für uns war’s nun aber wirklich allerhöchste Eisenbahn. Schnell schnappten wir unseren EuroCity und machten uns auf die Socken. Hier noch ein letzter Blick zurück auf Zürich und das höchste Gebäude der Schweiz: Der Prime Tower wurde 2011 fertiggestellt und ist mit einer Höhe von 126 Metern ungefähr so hoch wie die Highlight Towers in München.
Und so ging es wieder zurück über St. Gallen auf die letzte Etappe des Heimwegs. Die letzten Sonnenstrahlen erwischten wir dann bei Lindau am Bodensee, wo wir noch einen wunderschönen Sonnenuntergang über dem Bodensee präsentiert bekamen.
Die letzten Stunden ging’s dann durch die Dunkelheit zurück nach Augsburg.
Fazit: Es ist einfach immer wieder schön in der Schweiz zu sein. Ungeachtet der kürzlich stattgefundenen Volksentscheide ist die Schweiz ein Land, das mir persönlich ungeheuren Spaß macht. Die Schnäppchen im Land sind zwar rar gesäht, dennoch stimmt der Gegenwert in der Schweiz.
Eines steht aber fest: Laut eigener Statistik bin ich bisher noch nie in die Schweiz geflogen. Das sollte sich beim nächsten Besuch unbedingt ändern.
Weitere Reiseberichte:
Kleiner Hinweis: Das Hafenfest findet vom 4.-6.Juli statt, nicht im Juni.
Viele Grüße
Anne
@Anne: Super!
Danke dir für den Hinweis. Hab’s gleich geändert.
LG Phil
Hallo Phil,
bin per Zufall auf deiner Seite gelandet, und habe gleich einen neuen Bericht aus meiner Heimat erspäht, den ich natürlich sofort verschlingen musste. Wie immer tolle Bilder und sehr interessante Kommentare, danke! Der externe Blick auf unser Land ist immer wieder äusserst spannend für mich! Witzigerweise reiste ich aber selber noch nie in der 1. Klasse der Bahn, war noch nie in dieser Lounge – und für die Strecke zwischen Bern und Spiez, die ich oft fahre, nehme ich am liebsten den Deutschen ICE; weil der die viel bequemeren Sitze und auch Steckdosen bietet. Immerhin werden unsere Züge nun endlich auch damit nachgerüstet. Aber naja, the grass is always greener on the other side :-).
Wenn du das nächste Mal in jener Region bist, musst du aber unbedingt noch etwas mehr mit den Bergen auf Tuchfühlung gehen – der Ausblick von Thun ist gerademal das Warm-Up! Empfehlung: Bahn nach Interlaken, durch’s enge Bergtal nach Lauterbrunnen, mit der Zahnradbahn ins Bergdorf Wengen, und weiter hoch auf die Kleine Scheidegg – wo du direkt unter Eiger, Mönch und Jungfrau stehst. Äusserst eindrücklich!
Achja, und schliesslich: Wie empfindest du denn als Besucher unseren hassgeliebten Hafenkran? Bereicherung oder einfach nur Schrott? Ein grosses Politikum hier in der Stadt…:)
Freue mich auf weitere Reisen! Und wenn du das nächste Mal in Zürich umsteigst, lass es mich wissen!
Vielen Dank für deinen Kommentar, Tis!
Ist ja witzig zu hören, dass wir Deutsche so von der SBB beeindruckt sind, während ihr die ICEs über alles lobt. Wobei man wirklich sagen muss, dass der ICE ein sehr gutes Produkt ist. In letzter Zeit hat man auch hierzulande in Sachen Regionalverkehr sehr weit aufgeholt, so dass im Prinzip die ICs heute das große Manko sind. Hier fährt sehr viel Altmetall aus den Gleisen herum.
Die Gegend im Berner Oberland kenne ich übrigens doch ein bisschen. Ich habe früher sehr viel in der Gegend von Krattigen Urlaub gemacht und bin sogar schon einmal auf das Schildhorn gewandert um ein wenig James-Bond-Luft zu schnuppern. So gesehen war der diesjährige Osterbesuch ein kleines Revival meiner Kindheitserinnerungen. Aber du hast natürlich völlig Recht: Hier muss ich unbedingt noch einmal mit meiner Kamera hin.
Bei Hafenkran muss ich übrigens gestehen, dass ich ihn unter dem Aspekt “temporäre Kunst” sehr gut finde. Das Gerät wird ja irgendwann wieder verbannt, so gesehen bereichert es die Stadt eigentlich nur um eine Ausstellung. Ich würde das eher nicht als Verschandelung sehen. Ein wenig musste ich an den Eiffelturm denken. Auch hier sträubte man sich anfangs so sehr, nur um ihn nachher um nichts auf der Welt wieder hergeben zu wollen. Wobei ich nicht denke, dass es in Zürich so weit kommt.
Viele Grüße
Phil