Reisebericht Bordeaux Tag 3 – Pont de pierre, Cathédrale Saint-André, Place des Quinconces & Mériadeck
Bordeaux! Na endlich!
Ja, ich gebe es zu: Erst am dritten Tag einer Bordeaux-Reise nach Bordeaux zu fahren klingt vielleicht etwas vermessen. Ich finde diese Art der Herangehensweise aber relativ interessant, um auch zuerst die Umgebung einer Region kennenzulernen. Schon damals bei unserem Roadtrip nach Kanada wählten wir diesen Weg, als wir zwar in Toronto landeten, aber erst nach gut einer Woche in die Stadt selber hinein fuhren.
Heute war es dann aber endlich so weit.
Obwohl die Stadt gute 45 Kilometer vom Atlantik entfernt an der Garonne liegt, ist der Gezeitenhub bemerkbar. Bis zu einem Meter verändert sich die Höhe des Wassers im Fluss, was auf dem nächsten Foto sehr gut an den Pfeilern der Pont de pierre, der zentralen Brücke innerhalb der Altstadt, zu sehen ist.
Auch kirchlich ließ man sich in Bordeaux zu großen Bauwerken hinreißen. Hier die Cathédrale Saint-André.
Man kann sich das Sonnenlicht nicht immer aussuchen. Also muss man manchmal auch volle Kanne mit Gegenlicht fotografieren.
Auch der Bischof von Bordeaux hatte sich nicht gerade mit einer Hundehütte zufrieden stellen lassen. Direkt neben der Kathedrale findet man den Palais Rohan, der sowohl erzbischöflicher Palast als auch gleichzeitig auch das Rathaus von Bordeaux (Mairie de Bordeaux) ist.
Aus meiner Sicht verstehen es die Bauherren in Bordeaux sehr gut, die alte Bausubstanz mit neuen Ideen aufzupeppen. Beim Justizgebäude bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob man hier nicht zu viel wollte. Die Gerichtssäle wurden nach dem Willen des Architekten in den mit Holz verkleideten bauchigen Teilen des Hauses untergebracht, die wie Weinflaschen in einer Kiste aus dem Dach heraus ragen.
Immer wieder fällt auf, dass die Stadt Bordeaux nicht nur durch einzelne Bauwerke dominiert wird, sondern sich durch die große Menge an ehrwürdiger Architektur ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Das verdankt sie vor allem der Tatsache, dass die Stadt die Weltkriege relativ unbeschadet überstand, und große Bausünden zulasten der alten Architektur vermieden wurden.
Dies sieht man sehr gut im Herzen der Innenstadt beim Grand Hôtel de Bordeaux, wo vor allem dreieckige Gebäude dominieren. Ich hatte es schon immer vermutet: Die Bauherren des Flat Irons habe sich eindeutig in Europa inspirieren lassen.
Doch selbst zwischen den massivsten Steinbauten findet man zum Glück auch immer wieder einen grünen Gegenpol. Hier zum Beispiel die Fußgängerzone Cours du Chapeau Rouge, direkt neben dem Grand Théâtre de Bordeaux.
Wer den authentischen Stil von Bordeaux übrigens komplett geniessen möchte, der findet im Le Café Opéra die passende Kulinarik. Dieser Genuss ist allerdings ein wenig teurer als das reine Genießen der Stadtatmosphäre.
Der zentrale Platz in Bordeaux ist übrigens der Place des Quinconces, der als einer der größten unbebauten Plätze in ganz Europa gilt. Ein kleines nationales Monument darf natürlich nicht fehlen: Das Monument aux Girondins erinnert an den republikanischen Terror und darf daher auch gerne eine kleine Spur heroischer ausfallen:
Trotz aller historischer Bausubstanz lohnt sich ein Blick in die neuere Geschichte von Bordeaux, denn auch bei einer Einwohnerzahl von weit unter 300.000 Einwohnern ergaben sich neue Herausforderungen für den modernen Städtebau. Ähnlich wie in vielen europäischen Städten entwickelte man hier neue Ideen, die zur Gründung des neuen Stadtviertels Meriádeck führten.
Das in den 70er Jahren gebaute Viertel weist viele Eigenschaften der damaligen Idee der autogerechten Stadt auf, die leider heute als überholt gilt. So lässt sich sehr gut die strikte Trennung zwischen Autoverkehr auf dem Bodenniveau und den Fußgängerwegen erkennen, die sich ausschließlich im „ersten Stock“ befinden. Auch die typischen Wohngebäude aus grauem, unverputzten Beton haben ihre Eingangsbereiche auf dem Niveau der Fußgängerbrücken. Nach dem Konzept der Planer wären sich Menschen und Auto somit fast nie begegnet.
Heute hat man sich lange von dieser Bauweise verabschiedet und versucht stattdessen, das Ruder wieder in die komplett andere Richtung zu reißen. Natürlich hatten die Konzepte tatsächlich gewisse Nachteile, dennoch ließ sich so in den siebziger Jahren viel Wohnraum (ähnlich wie Neuperlach in München) innerhalb kürzester Zeit realisieren.
Anhand von steigenden Mieten und zunehmendem Wohnungsmangel in vielen Metropolen kann man gut erkennen, dass man noch immer keinen angemessenen Kompromiss zwischen der Schaffung von neuem Wohnraum in Städten und der vorherrschenden Ästhetik gefunden hat.
Ästhetik ist dennoch genau das richtige Stichwort zum Schluss: Beim Neubau der Straßenbahn gab man sich in Bordeaux die größte Mühe, das historische Stadtbild nicht durch eine Oberleitung zu verändern. Auf dem oberen Bild der Tram in Meriadeck ist die Oberleitung mit dem passenden angehobenen Stromabnehmer (neben den obligatorischen Weinreben in der Mitte der Trasse) sehr gut zu erkennen.
In der Stadt sucht man diese Art der Stromversorgung vergebens:
Hier vollbrachten die französischen Ingenieure eine wahrhaftige Meisterleistung. Ähnlich der guten, alten Märklin-Eisenbahn besitzen die Gleise in der Mitte eine Stromschiene, die in kurze Segmente unterteilt ist. Nur wenn sich ein Zug komplett über einem der Segmente befindet, wird der Strom dieses kurzen Stücks angeschaltet. Dass hier die höchsten Sicherheitsvorkehrungen gelten, dürfte jedem klar sein: Würde dieses System versagen, könnte jeder Fußgänger beim Überqueren der Schienen einen tödlichen Stromstroß abbekommen.
Mein Fazit zur Reise nach Bordeaux
Die Einheimischen bezeichnen ihre Stadt gerne als “kleiner als Paris – aber größer als Versailles”. Und damit haben sie auch völlig Recht. Absolut absichtlich sollte man das Image der Stadt Bordeaux von irgendwelchen alkoholischen Genussgetränken trennen. Ansonsten ist man dazu geneigt, die Schönheit der Stadt nicht mehr nüchtern betrachten zu können.
Vor allem die Verschonung der Bausubstanz in den großen Weltkriegen gibt Bordeaux heute ein sehr antikes Flair, das jedem Touristen gefallen wird. Ein Glück hat mittlerweile auch die Stadtverwaltung dieses Potential erkannt und ausgeschöpft – statt unisono nur das Weinglas zu schwenken und vor allem die Stadt hinter dem Wein zu vernachlässigen.
Bei dieser Reise wurde ich vom französischen Fremdenverkehrsamt unterstützt. Danke dafür!
Weitere Reiseberichte:
Super Fotos und ein toller Bericht. wir waren vor 2 Wochen im Elsass und haben dort urlaub gemacht. Da bekommt man ja auch viele tolle Gebäude aus längst vergangener Zeit zu sehen. Zwar nicht so prachtvolle Schlösser wie in Bordeaux, aber auf jeden Fall auch eine Reise wert!
Super Artikel, mir gefällt die architektonische Vielseitigkeit, der nüchterne Stil :) und die Nähe zum Ozean. Abgesehen von einigen fliegenden Möwen, spürt man das Meer bis nach Bordeaux hinein. Bei Gezeitenumschwüngen mit hohen Koeffizienten können Wellenreiter auf dem Maskaret auf der Gironde und der Dordogne im Inland flussaufärts surfen. Das genialste Spektakel dazu gibt es im kleinen Hafen von Saint Pardon auf der Dordogne im September, gut 30 Minuten von Bordeaux entfernt.