Reisebericht Bozen Tag 2 – Besuch beim Ötzi & Fahrt mit der Seilbahn nach Kohlern
Nach einer erholsamen Nacht spürten wir am nächsten Morgen erst einmal unsere Waden. Verdammt! Wie unsportlich waren wir eigentlich? Hatten uns wirklich bereits zwei leichte Aufstiege nach St. Magdalena an den Rand unserer Leistungsfähigkeit gebracht? Anscheinend wurde es höchste Zeit, dass Conny und ich auf Aktiv-Urlaub umsattelten. Die vielen Hotelübernachtungen ließen unsere Muskeln schwinden.
Der Vorteil am eigenen Appartement ist, dass man morgens sofort zum Frühstück kann. Und das auch wenn man noch kein morgendliches Date mit dem Rasierapparat hatte. In einem normalen Hotel hätte ich schon längst den Yeti-Alarm ausgelöst. Apropos: Heute würde mein absoluter Highlight-Tag sein. Denn niemand geringeres als der Ötzi wartete schon ungeduldig auf unser Erscheinen.
Von der Schwerkraft beschwingt ging der Abstieg nach Bozen fast wie von alleine. Dennoch musste unterwegs noch einmal kurz inne gehalten werden. Einmal für die obligatorischen Filmaufnahmen (…mal schaun, ob es da auch bei YouTube irgendwann noch ein paar Impressionen gibt…) und natürlich für das Blick-über-Bozen-Foto. Morgens ist das Licht an dieser Stelle einfach perfekt.
Ötzi hatte zwar schon gute 5000 Jahre im Eis auf uns gewartet – allerdings wollten wir doch keine Zeit verlieren, so dass wir die Innenstadt ignorierten und schnurstracks zum Südtiroler Archäologiemuseum am gegenüberliegenden Ende der Stadt stiefelten. Der Preis ist mit 9€ pro Person nicht ganz ohne, dennoch bildeten sich kurz nach der Öffnung des Museums lange Schlangen vor den Schaltern. Allerdings gibt es hier auch deutlich mehr zu sehen als nur die Mumie selbst – so zum Beispiel eine komplette Einführung in die Welt von damals. Inklusive den von Ötzi für Pfeile, Bogen oder Schuhe benutzten Pflanzen.
Natürlich ist die Kältekammer mit Ötzi selbst der Hotspot der gesamten Ausstellung, die auch seine sonstigen originalen Ausrüstungsgegenstände wie Mantel, Leggings oder ein Kupferbeil umfassen. Ötzi starb mit hoher Genauigkeit zwischen 3359 und 3105 v. Chr und ist somit zum heutigen Zeitpunkt ca. 5250 Jahre alt. In der Archäologie dürften Knochenfunde aus einer solchen Zeit wahrscheinlich an der Tagesordnung liegen. Eine fast vollständige und gefrorene Mumie inklusive Bekleidung aus dieser Zeit hat aber einen so immensen Seltenheitswert, dass sich Italien und Österreich sogar um die Besitzrechte stritten.
Dass es dieses Museum gibt ist gar keine so große Selbstverständlichkeit. Zu Beginn seines zweiten Frühlings ging so einiges bei Ötzi schief. So beschädige ein Polizist beim Bergen die Leiche mit einem Presslufthammer, ein Bestatter brach seinen Arm damit er in einen Sarg passte und ein österreichischer Gerichtsmediziner stand schon kurz davor Ötzi zur Bestattung freizugeben.
Zum Glück blieb er trotz dieser Aktionen der Nachwelt erhalten, so dass Forscher mittlerweile sogar sein Aussehen rekonstruieren konnten.
Sonst dreht sich im Museum auch sehr viel um den mysteriösen Mordfall, denn Ötzi starb definitiv einen sehr gewaltsamen Tod. Neben einer schweren Kopfverletzung kommt auch eine stark blutende Wunde durch einen Pfeilschuss an seiner Schulter als Todesursache in Frage, so dass man sich auf mehreren Schautafeln den verschiedenen forensischen Analysen hingeben kann. Auf jeden Fall ein sehr gut gemachtes Museum, das bei mir von Anfang an auf der muss-ich-sehen-Liste stand. Und normalerweise bin ich kein Museums-Gänger.
Zurück an der frischen Luft blieben uns noch ein paar Augenblicke, um uns ein wenig mit der Altstadt von Bozen vertraut zu machen. Die Stadtgründer hatten sich wirklich hervorragend entschieden. Mit einem Berg im Rücken und dem Zusammenfluss von drei Flüssen lag die Stadt optimal geschützt. Wir befanden uns zu dieser Zeit am Fluss Talfer.
Überquert man die Talferbrücke steht man zugleich vor einem der umstrittensten Sight der Stadt: Das Siegesdenkmal, welches auf Mussolinis persönlichen Wunsch dort errichtet wurde. Gewidmet ist es, Zitat: “den Märtyrern des Ersten Weltkrieges”. Hier merkt man schon die leichte Provokation – schließlich wurde Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg am 3. November 1918 von italienischen Soldaten besetzt und ein Jahr später vom Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn an Italien abgetreten.
Auch wenn vielen Südtirolern dieses Monument ein Dorn im Auge ist und es immer wieder heftige Forderungen nach dessen Abriss gab, wurde es seit 2009 umfassend restauriert. Auf der anderen Seite ist dieses Denkmal natürlich auch ein Zeitzeuge und erzählt seine Geschichte. So gesehen gibt es keinen wirklicher Grund für seinen Abriss. Schließlich erhalten wir auch Kirchen und Kathedralen – trotz der immensen grausamen Verbrechern der Kirche z.B. durch Hexenverbrennungen, der Inquisition oder diverser Missbrauchsskandale.
Nach dieser kleinen Geschichtsstunde liefen wir an den ganz südlichen Rand der Stadt zum Fluss Eisack, um uns dort für unsere Fahrt mit der Seilbahn fertig zu machen. Schließlich bietet Bozen die Möglichkeit gleich mit drei Gondeln aus dem Stadtgebiet heraus abzuheben und die umliegenden Berge zu erkunden. Wir stoppten bei der Kohlerer Bahn.
Die Bahn selber verbindet Bozen mit der Ortschaft Kohlern und verläuft komplett in einer Schneise am Berghang. Für mich Fotografier-Freund eine extreme schlechte Situation, denn nicht nur die Sicht aus der Gondel ist so extrem eingeschränkt – nein, sogar die Stationen sind so gelegen, dass man nur schwer einen Blick auf ein- und ausfahrende Gondeln hat. Ich würde euch an dieser Stelle wirklich gerne etwas besseres bieten, aber mehr ging nicht.
Auch während der Fahrt bleibt die Sicht aus der Gondel leider etwas hinter meinen Erwartungen zurück. Einzig die Sicht auf Bozen ist in der Mittagszeit wirklich super. Alles was im Bild als grün erscheint ist übrigens Weinanbaugebiet.
Die Seilbahn selbst wirbt übrigens mit dem Slogan “erste Seilschwebebahn der Welt” oder “die erste Seilschwebebahn der Welt allein für den Personentransport“. Laut einschlägiger Literatur scheint man es wohl damit etwas zu übertreiben, da früher auf gewissen Transportbahnen auch Personen von A nach B gekarrt wurden. Allerdings ist die Seilbahn mit ihrer Eröffnung am 29. Juni 1908 definitiv eine der allerersten, wobei man hier der Fairness halber anmerken muss, dass die Bahn zwischendurch zuerst aus Sicherheitsgründen stillgelegt, dann neu gebaut, dann kaputt gebombt, zwanzig Jahre (!) später wieder aufgebaut und diverse Male modernisiert wurde.
In Kohlern angekommen widmeten wir uns nun wieder dem entspannten Teil des Tages. Genau das richtige nach einem harten Sightseeing-Tag. In dieser herrlichen Gegend besuchten wir den Landgasthof Kohlern, der auf diesem sonnigen Hochplateau wirklich eine exzellente Küche anbietet.
Auch hier entschied sich mein Hunger für die non-vegatarische Version und wurde mit einem Entrecôte nicht enttäuscht. Als kleines Dessert gönnte ich mir dann einen Käseteller.
Nachdem Conny und ich uns noch einen genüsslichen Aufenthalt in der Sauna genehmigten, erklommen wir zur Schluss noch den Aussichtsturm, direkt neben der Bergstation der Seilbahn. Auch wenn ich bei einer solchen Kulisse schon mehr als genügend Fotos in alle Richtungen knipsen konnte, so muss ein Aussichtssturm einfach erklommen werden. Schließlich ist er doch genau dafür da!
Hier noch ein Blick auf das Plateau selbst. Das große Gebäude in der Mitte ist übrigens der Gasthof Kohlern.
Und hier noch einmal ein Blick nach “unten” auf die westlichen Ausläufer von Bozen. Gut zu erkennen ist der Fluss Nummer 3: Die Etsch. Im italienischen trägt er den Namen “Adige” und ist somit auch Namenspatron für den italienischen Namen von Südtirol “Alto Adige”. Da aber auch dieser Name von Mussolini gewählt wurde, findet man die Bezeichnung “Sudtirolo” nun auch im italienischen Sprachgebrauch.
Zum Schluss lässt sich ganz unten links noch ein Stück der Brennerautobahn erspähen.
Nach einer solchen Aussicht und natürlich einer großen Menge Höhenluft ging es für uns Flachländler dann wieder zurück ins Tal. Schön war’s!
Hi, Phil, wunderschöne Bilder, eine herrliche Gegend, wunderbares Wetter und leckeres Essen, was will man mehr. Südtirol ist einfach wunderschön, auch im Winter, das solltet Ihr auch mal kennenlernen beim Skifahren. Der Ötzi ist schon etwas gruselig, find ich. Liebe Grüsse von MOM
@Mum: Ja, der Ötzi ist echt nicht der attraktivste Südtiroler, das muss man leider zugegeben. Aber für ein Alter von 5000 Jahren hat er sich ziemlich gut gehalten. Besonders wenn man das mal mit den ägyptischen Mumien vergleicht. Ein bisschen Ekel bleibt allerdings doch.
LG Phil
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