Reisebericht Brüssel Tag 2: Spotten am Flughafen Brüssel und Sightseeing in der City
Auch wenn sich die meisten wahrscheinlich eine Übernachtung am Flughafen als eines des schrecklichsten Urlaubszenerios vorstellen, lässt es sich bei guter Vorbereitung durchaus ertragen. So schliefen wir trotz der lärmenden Fluggäste, die ihre frühmorgendlichen Urlaubscharterbomber besteigen wollten und den omnipräsenten und 24-7-angeschalteten Leuchtstoffröhren über uns bis kurz nach 06:00 Uhr.
Natürlich hatten wir den Schlafplatz am Flughafen mit Absicht ausgesucht, denn wir wollten unbedingt noch ein paar Maschinen fotografieren. So gehört sich das für einen Chaostrip. Für das dringend nötige Frühstück entschieden wir uns für das lounge-ähnliche Restaurant „Wingtip“ im 4.Stock, welches mit riesigen Fensterscheiben zum Knipsen einlädt.
Besonders die Stimmung des langsam erwachenden Flughafens mit leichten Morgennebel und tiefstehender Sonne im Hintergrund war genau das richtig für einen Städtetrip der etwas anderen Art.
Nachdem wir fürstlich gespeist hatten, genossen wir noch ein wenig die herrliche Sonne auf der obersten Ebene des Parkhauses. Auch hier hatten wir natürlich einen listigen Hintergedanken: Die Flieger ließen sich wunderbar vor dem Start auf der Startbahn 07R in flagranti erwischen.
Unser eigentliches Tagesziel lockte uns schon aus der Ferne: Das Atomium lässt sich bereits vom Flughafen sehen und erinnerte uns daran, dass wir uns schleunigst auf dem Weg in die Innenstadt machen sollten. Schließlich musste auch noch etwas Kultur her, und so überragend fotogen ist der Flughafen selber dann auch wieder nicht.
Wer am Wochenende in Brüssel unterwegs ist, sollte sich die Wochenende-Tarife der belgischen Eisenbahn mal genauer anschauen: Kauft man Hin- und Rückfahrt zusammen, kann man fast 50% sparen. Gerade der Transfer vom Flughafen wird so erheblich günstiger. Die gesparte Kohle kann man dann zum Beispiel in leckere Macarons investieren.
Vom Bahnhof Brussel-Centraal liefen wir zu Fuß zum berühmten zentralen Platz Grand Place, dessen Rathaus besonders Morgens wunderbar angeleuchtet wird. Leider hatten wir unsere Reise nicht nach dem alljährigen Blumenteppich an diesem Ort geplant und das Spektakel haarscharf um zwei Tage verpasst. Naja, hilft nix …
Bevor es dann endgültig auf’s Fahrrad gehen sollte, haben wir dem Manneken Pis noch einen Besuch abgestattet. Ich kann den Hype um diese 60 Zentimeter große Banalität immer noch nicht verstehen. Man achte beim folgenden Foto einmal auf das Verhältnis von fotografierender Meute und Größenordnung der Sehenswürdigkeit.
Einige umliegende Geschäfte verkauften übrigens Pis-Plastik-Repliken für 40€. Falls also noch jemand ein solches „Meisterwerk“ für seinen Garten braucht, möge er zuschlagen. Er kann es dann auch rund um die Uhr fotografieren.
Nun wurde es aber allerhöchste Eisenbahn für einen fahrenden Untersatz und wir meldeten uns brav beim Villo-System an, dessen Tagessatz doch glatt auf 1,70€ erhöht wurde. Dafür wurden aber meine Bitten erhöht und das Netz aus Fahrradstationen deutlich vergrößert. Der Zustand der Fahrräder liegt nach wie vor auf hohem Niveau. Einzig bei den Schaltungen kann man richtig Pech haben. Manche Getriebe springen ständig hin und her, so dass man kaum vorwärts kommt. Dann am besten schnell das Fahrrad tauschen und den Sattel nach hinten drehen. So markiert man nämlich defekte Räder.
Durch die Fahrten während unseres letzten Brüssel-Besuches kannte ich mich bereits so gut aus, dass die Karte eingesteckt bleiben konnte und ich dafür die Uhr umso schärfer im Auge behalten konnte. Bei drei Fahrrädern ist die Sache schon etwas komplizierter, denn in Brüssel trifft man erschreckend häufig auf ganz leere oder ganz volle Stationen. In so einem Fall braucht man noch einen kleinen Zeitpuffer um schnell zur nächsten Station zu radeln.
Die erste Etappe führte unsere illustre Truppe zur Basilique Nationale du Sacré-Cœur. Nicht ganz so herrlich wie ihre Namensvetterin in Paris, dafür aber umso imposanter. Dieses Mal begutachtete ich die Kirche mit ihrem gigantischen Fassungsvermögen von 2000 Personen auch von innen.
Die recht junge Kirche im Art-Deco-Stil, die erst 1970 vollendet wurde, gehört zu den größten Kirchen der Welt. Bei solchen Abmessungen kann man schon fast von mehreren Kirchen in einem Gebäude sprechen. Ich bin mir sicher, dass man man hier zwei Gottesdienste gleichzeitig halten könnte, ohne sich großartig gegenseitig zu stören.
Für einen kleinen Obolus kann man auch noch eine Aussichtsplattform auf 53 Metern Höhe betreten. Wir schlugen die Gelegenheit aber aus und sattelten wieder ein neues Dreiergespann Villo-Räder. Nächster Stop: Atomium.
Im Jahre 2004 wurde das Atomium komplett renoviert und die komplette Aluminium-Außenverkleidung gegen hochglänzende Edelstahlbleche getauscht. Zur Finanzierung wurden die alten Bleche an Touristen und Sammler verkauft. Echte Sparfüchse hätten bereits ab 1000€ diverse Bleche käuflich erwerben können.
Nach einer kleinen Stärkung und regenerativen Pause hatten wir ursprünglich noch vor, den Miniaturpark Mini-Europa zu besuchen. Dieser liegt in einer Art Kindervergnügungspark Bruparck direkt neben dem Atomium und zeigt die schönsten Gebäude Europas im Maßstab 1:25. Den Preis von 13€ pro Person möge jetzt jeder bitte selbst bewerten. Wir winkten dankend ab und entschlossen uns dafür die Inspektion des Europaviertels etwas gemütlicher anzugehen.
Ich hatte schon zu Beginn dieses Berichtes erwähnt, dass sich die Anzahl an Villo-Stationen merklich vergrößert hat. So ist man endlich auf den Trichter gekommen, vielleicht auch ein paar Bikes am Atomium aufzustellen. Somit entfällt jetzt der Fußmarsch von der Metrostation Stuyvenburgh.
Wir wichen ein wenig vom direkten Weg zurück in die Innenstadt ab, um noch der Liebfrauenkirche zu Laeken einen Besuch abzustatten. Die neugotische Kirche ist zwar nicht ganz so imposant wie die bombastische Art-Deco-Kirche auf dem Kokelberg, aber dennoch das größte neugotische Bauwerk Belgiens.
Nach zwei „Tankstopps“ um immer mal wieder unsere Fahrräder durchzutauschen, kamen wir vor der europäischen Kommission an. Der Kontrast zwischen der manchmal doch sehr maroden Architektur Brüssels und diesem hypermodernen Bürokomplex verwunderte mich auch dieses Mal: Es kommt mir manchmal so vor, als hätte die Stadt noch nicht ganz ihre Identität gefunden. Irgendwie prallen in der Innenstadt zwei Welten aufeinander, die partout nicht zueinander passen.
Im direkt daneben liegenden Jubelpark spürt man wieder den Charme von Glaspalästen und Triumphbögen mit wehender Nationalflagge. In einer gewissen Weise ist das wiederum wesentlich authentischer.
Um noch ein wenig weiter in europäischen Sphären zu schweben, machten wir uns zu Fuß auf zum europäischen Parlament.
Moment? EU-Parlament in Brüssel? War das nicht in Straßburg?
Ja, nein, also jein: Das eigentlich Parlament der EU sitzt wirklich in Straßburg. Dort finden zwölfmal im Jahr auch die großen Plenarsitzungen statt. Allerdings tagen die Ausschüsse und Fraktionen in Brüssel, wo ebenfalls Plenartagungen abgehalten werden. Wer jetzt noch durchblickt, dem sei gesagt, dass das Generalsekretariat allerdings im europäischen Parlament in Luxemburg tagt. Es gibt also drei von der Sorte, zwischen denen auch fleißig gependelt wird. Und wer für die Rumfahrerei/Rumfliegerei zwischen Brüssel, Luxemburg und Straßburg zahlen darf, will ich gar nicht wissen. Ich vermute nur, dass die werten Damen und Herren nicht auf einer Isomatte am Flughafen schlafen.
An dieser Stelle endete dann auch das Sightseeing. So radelten wir wieder zurück zur Innenstadt, wo wir unsere Fahrräder ein letztes Mal in die Station am Zentralbahnhof eindockten. Ein kleines Foto der Sint-Michiels en Sint-Goedelekathedraal darf natürlich auch nicht fehlen. Bei dieser Kathedrale zahlt sich übrigens Geduld richtig aus: Abends liegt das Gotteshaus im schönsten Licht.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch in der Fressgasse ein kleines Dinner und genossen die Stadt fast bis zum letzten Sonnenstrahl.
Eigentlich hatten wir ursprünglich vor, mit vollem Risiko die letzte Zug+Bus Kombination nach Charleroi zu benutzen. Da wir allerdings großzügig geplant hatten und auf den letzten Drücker dann doch kein Risiko eingehen wollten, nahmen wir etwa gegen 21:00 Abschied von Brüssel und tuckerten gemütlich nach Süden.