Reisebericht Southampton #2.1 – Mit der Fähre zur Isle of Wight
Natürlich wäre es naheliegend gewesen, sich auf dem Erstflug zum Flughafen Southampton auch die dazugehörige Stadt näher anzuschauen. Da die Stadt Portsmouth mit ihrer legendären nautischen Vergangenheit aber sowieso noch auf dem Programm stand, fiel die Wahl gegen Southampton und für die Isle of Wight, die direkt vor der Küste Südenglands liegt. Zuerst nutzten wir aber unseren Aufenhalt im Careys Manor voll aus und machten uns an das Frühstücksbuffet.
Wer die Bilder der Herrenhaus-Fassade und der Rezeption vom letzten Tag noch im Kopf hat, sieht analog zu den Hotelzimmern auch im Frühstückssaal den gewollten Bruch mit der viktorianischen Vergangenheit. Neues Interior empfängt den Wellnessgast nach dem Aufstehen und rechtfertigt so auch den stolzen Übernachtungspreis.
Mit der Fähre zur Isle of Wight
Die Isle of Wight selber ist durch den Solent, einen Meeresarm des Ärmelkanals, vom Festland getrennt. Fähren gibt es von mehreren größeren und kleineren Städten entlang der Küste. Wir entschieden uns für den Mini-Ort Lymington, der mit seinen knapp 14.000 Einwohnern wirtschaftlich keine große Rolle spielt.
Dafür gab es einen riesigen Yachthafen, für den die Stadt bei gut betuchten Bootsbesitzern sehr beliebt ist. Wenn das mal keine Einladung an mich zum Fotoknipsen ist, dann weiß ich es auch nicht.
So klein der Ort, so gut seine verkehrstechnische Anbindung. Mit der Eisenbahn geht’s praktisch bis zur Rampe der Fähre. National Rail verbindet die Station Lymington Pier zweimal pro Stunde mit Brokenhurst und Southampton, so dass man ohne Probleme von hier weiter nach London fahren könnte.
Wer mit dem eigenen Auto auf die Insel will, kommt nicht um die Wightlink Fähren herum. Mit ihrem symmetrischen Rumpf würde ich sie nicht unbedingt für einen Schönheitspreis nominieren. Auf die Überfahrt zur Insel freute ich mich trotzdem. Ein bisschen Meeresluft konnte um diese Jahreszeit nicht schaden.
Auf der Fähre selbst sind die beiden unteren Decks für Autos reseviert. Auf den oberen Decks kann man sich entweder hinter den großen Panoramafenstern verschanzen oder auf festgeschraubten und leider auch ziemlich ausgeblichenen Plastikbänken die Sonne genießen. Wie ihr seht, meinte es das Wetter richtig gut mit uns, so dass wir die Überfahrt draußen genießen konnten.
Kurz vor der Abfahrt knipste ich noch einmal den Blick auf das Pier vom Schiff aus. Wer genau hinschaut, sieht den wartenden Zug nach Southampton auf der linken Seite, der wirklich fast genau an der Anlegestelle hält.
Die Breite des Solent zwischen der Isle of Wight und dem Festland ist wirklich überschaubar: Bei einer maximalen Breite von gerade einmal fünf Meilen ist das gegenüberliegende Ufer so gut wie immer sichtbar. Die Meerenge selbst ist eines der berühmtesten Segelreviere Englands. Die Stadt Cowes auf der Insel gilt als Segelhauptstadt des Königreiches. Hier wird auch der Admiral’s Cup ausgetragen.
Wettertechnisch sollte dieser Tag richtig spannend werden. Zwar heizte die Sonne die Luft sofort auf angenehme Temperaturen auf, allerdings versteckte sie sich auch gerne mal zwischen großen Wolkenteppichen, die immer mal wieder vorbei zogen.
So zum Beispiel auf halber Strecke, als wir das Schwesterschiff unserer eigenen Fähre mit dem Namen Wight Sky, die Wight Light, passierten. Insgesamt unterhält Wightlink sechs dieser Schiffe. Auch in der Gefahr mich zu wiederholen: Der Form der Autofähren kann ich einfach nichts Positives abgewinnen.
Nach nicht einmal zwanzig Minuten später kam dann der Zielhafen in Sicht: Yarmouth. Mit gerade einmal 885 Einwohnern ist Yarmouth der kleinste Ort Englands, der sich town nennen darf. Dieses Recht wurde dem Örtchen 1135 verliehen.
Eine wirkliche glückliche Geschichte hat dieser Ort nicht zu bieten: Wegen seiner Lage als “Hüter” der Isle of Wight wurde er immer wieder von den Franzosen überfallen und niedergebrannt.
Auch vom Schiff wirkte der Hafen mehr als überschaubar. Dafür hatte man einen tollen Blick auf die Verteidigungsanlagen der Stadt. Hier steht heute leider nur noch eine einzige Kanone. Anhand der gepflasterten Kreise auf dem Boden lassen sich aber die Positionen der anderen vier gut erkennen. Auf diesen Kreisen konnten die schweren Geschütze zum besseren Zielen gedreht werden.
Die Isle of Wight gibt sich ansonsten als Erholungsgebiet. Den Einwohnern der Südküste Englands bis rauf nach London dient diese Insel als Ferienort und Rückzugsgebiet aus dem stressigen Alltag. Dementsprechend ruhig und ursprünglich geht es auf der Insel zu.
Wer Action sucht, ist hier eher falsch. Dafür gibt es jede Menge Campingplätze und Sommerhäuser.
Berühmt ist die Insel eher noch für ihre Kreidefelsen, die in Richtung Festland steil abfallen. Ein bisschen sieht es so aus, als wäre die Insel irgendwann mal vom Königreich mit einem großen Knall abgebrochen und Richtung Frankreich gedriftet. Am ganz hinteren Ende sind die Needles zu sehen: Mehrere große Felsennadeln, die ähnlich wie die Lange Anna auf Helgoland einsam im Wasser stehen.
Das erste Ziel unserer Tour auf der Insel war die Dimbola Logde in Freshwater. Hier lebte die Fotografin Julia Margaret Cameron, die es in der viktorianischen Epoche zu einem gewissen Ruhm hinter der Kamera gebracht hatte. Ihr Lebenswerk wird in ihrem ehemaligen Wohnhaus ausgestellt.
Meine Meinung: Lohnt sich nicht wirklich.
Als begeisterter Fotograf hatte ich mir hier vor allem einen Einblick in das Handwerk der frühen Fotografie um das Jahr 1850 gewünscht. Was ich fand, waren die Elaborate einer verwöhnten Tochter aus gutem Haus, die eben gerne Leute fotografiert hatte.
Von Pionierleistungen in technischer oder künstlerischer Hinsicht fand ich keine Spur. Schade.
Was sich aber durchaus lohnte, war der kleine Ort Freshwater am westlichen Ende der Insel. Hier beträgt die Entfernung zum Festland nur wenige hundert Meter, so dass die gegenüberliegende Seite zum Greifen nah scheint. Auch hier sind die steil abfallenden Felswände entlang der Freshwater Bay ein imposantes Fotomotiv.
Garlic Farm, Isle of Wight
Der letzte Stop für diesen Blogpost führte uns in das Herz der Insel. Ich weiß noch immer nicht ganz, was den begnadeten Farmer Colin Boswell dabei geritten hatte, sich nach dem 2. Weltkrieg einzig und allein auf den Anbau von Knoblauch zu konzentrieren.
Während die meisten Bewohner dieses Planeten eher einen großen Bogen um zu große Mengen der Gewürz- und Heilpflanze machen, konnte er davon nicht genug bekommen. In Großbritannien scheint das Konzept zu funktionieren. Bei herrlichem Wetter war der Parkplatz auf seinem Landsitz gut gefüllt.
Von der gegrillten Knoblauchzehe, über Knoblauch-Pommes bis hin zum Knoblauch-Bier gab es hier so ziemlich alles, was man aus der Knolle machen möchte. Um die Ausdünstungen des eigenen Körpers sollte man sich ab dem ersten Bissen keine Gedanken mehr machen, hier ist sowieso nichts mehr zu retten.
Richtig standfest muss eher der Magen bleiben: Nach einer gewissen Menge Knoblauch kann auch der Verdauungstrakt kapitulieren. Wer sich trotzdem durch die Karte essen möchte, sollte lieber langsam ins Garlic-Training einsteigen.
Das Hauptaugenmerk meines Besuches sollte aber gar nicht auf dem Knoblauch an sich liegen. Für mich standen die wilden Pfauen im Vordergrund. Vor vielen Jahren hatten sich diese hierher verirrt und waren geblieben. Ob es am Knoblauch-Aroma in der Luft liegt?
Leider wollte sich kein Tier von mir zu einem Radschlag überreden lassen, anscheinend war die Auswahl der potentiellen paarungswilligen Weibchen zu gering. Laut Farmer Collin sind Pfauen wohl die eitelsten Tiere, die es gibt: Besonders gerne stellen sie ihre Federn zur Schau, wenn man ihnen einen Spiegel vorsetzt.
Mit diesen Bildern lasse ich diesen Blogpost enden. Im nächsten wenden wir uns dann einem royalen Thema zu: Das Osborne House diente Queen Victoria nicht nur als Landsitz. Das kleine Schloss war ihr sogar so sehr ans Herz gewachsen, dass sie es als Altersruhesitz wählte und hier 1901 verstarb.
Weitere Reiseberichte
- Tag 1: Hinflug mit bmi regional von München
- Tag 2.1: Mit der Fähre zur Isle of Wight
- Tag 2.2: Osborne House, Isle of Wight
- Tag 3.1: HMS Victory & Historic Dockyard
- Tag 3.2: Spinnaker Tower & Gunwharf Quays
- Tag 3.3: Flug nach München mit bmi regional
Vielen Dank an bmi regional für die Einladung auf die Isle of Wight.
Hi Phil,
die Bilder aus dem Frühstücksraum Eures Hotels gefallen mir
sehr gut. Gab es denn auch die typisch englischen Spezialitäten
wie “Baked Beans” im Angebot? Habe ich zumindest nicht gesehen.
Ansonsten sind die Landschaften wirklich beeindruckend.
Wie hast Du das hingekriegt, daß die Pfauen sich so problemlos
fotografieren lassen? Hab sie mal in einem örtlichen Wildgehege
extrem schreckhaft erlebt, als die Kamera auslöste.
Wirklich gut gelungene Bilder.
LG Stefan
Na klar gab’s auch das volle englische Programm. Aber das ist irgendwie nicht’s für mich. Ich werde mich damit abfinden müssen, bis ans Lebensende mit Nutella in den Tag starten zu wollen :)
Die Pfauen waren übrigens gar kein großes Problem. Klar hat hier auch nur jedes 10. Bild funktioniert, aber generell waren die deutlich zutraulicher als alle Vögel, die ich bisher in Zoos oder ähnlichem getroffen habe. Und eine Spiegelreflex ist ja beim Auslösen nicht gerade flüserleise.
Es könnte aber auch am Knoblauch in der Luft gelegen haben. :)
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