Reisebericht Bozen Tag 3 – Fahrt mit der Rittner Seilbahn nach Oberbozen
Petrus hatte sich an diesem Tag dazu entschieden, seinen Tribut für die letzten schönen sonnigen Tagen zu fordern. Statt strahlend blauem Himmel gab es heute einen Mix aus Sonnen und Wolken mit der ständigen latenten Angst vor dem Regenschauer. Als Reiseblogger und -fotograf eine der härtesten Voraussetzungen für gute Fotos: Hier hieß es aufmerksam auf jedes noch so kleine Wolkenloch zu achten und im Falle von plötzlich hervorbrechender Beleuchtung blitzschnell den Auslöser seiner Kamera massieren.
Natürlich war ich umso dankbarer für außergewöhnliche Indoor-Locations. Und die ergaben sich gleich bei der morgendlichen Rückgabe unseres Appartements. Der Besitzer – zugleich auch Weinbauer in x-ter Generation – lud uns in sein Heiligtum ein: Der Weinkeller des Weingutes St. Magdalena. Keine schlechte Idee, allerdings rechnete ich eher mit redundanten Fotos, schließlich hatten wir am ersten Tag ja schon in der Löwengrube dem Somelier über die Schulter geknipst.
Weinkeller? Woah? Hoppla! Ach diese Dimensionen meinte der Winzer. Das übertraf natürlich die Darbietung von Tag 1 um ein oder zwei Größenordnungen. Stolz bekamen wir erzählt, dass sein Traditionsbetrieb pro Jahr 100.000 Flaschen Wein produziert. Klar, die müssen ja auch irgendwo lagern und reifen. Dazu braucht man ein paar Fässer.
Stolz zeigte uns unser Winzer noch den Beweis für das Alter seines Handwerks: Ein tellergroßes Stück Weinstein, das eher an einen Edelstein als an Ablagerungen in einem Fass erinnerte. Chemisch gesehen handelte es sich dabei um das Calciumsalz der Weinsäure, welche sich in dünnen Filmen am Boden von Flaschen und Fässern absetzt. Bis ein solche große Platte entsteht, dürfte es mehrere Jahrzehnte gebraucht haben.
Schon während dieser interessanten Führung merke ich eindeutig, dass mein Wissen über Weine mal ein taufrisches Update gebrauchen könnte. Klar, kann ich einen Bordeaux und einen Merlot beim Blick auf’s Etikett unterschieden, aber das sollte ja eigentlich nicht der Sinn der Sache ein.
Nach der Führung machten uns Conny und ich ein letztes Mal auf zur Innenstadt von Bozen. Dieses Foto soll euch nochmal zeigen, dass mein Lamentieren über die Steigung keinesfalls übertrieben war. Der linke Weg zeigt grob die Horizontale an, während es rechts einfach nur steil bergab ging.
Wie bereits geschrieben, ist Bozen auch das Zuhause von drei Seilbahnen. Die Gondeln scheinen sogar so sehr mit dem Stadtgeschehen zu intervenieren, dass man selbst mit großen Verkehrsschildern vor ihnen warnen muss. Aber keine Sorge: Es schien bei unserem Urlaub jedenfalls recht sicher in Bozen zu sehen. Jedenfalls wurden wir nachts von keiner Gondel angepöbelt, sie blieben stets auf ihrer Flughöhe und auch die Belästigung durch kippenschnorrende Kabinen hielt sich in Grenzen. Vielleicht sollen die Schilder auch nur das Überraschungspotential senken, wenn plötzlich eine hinter den Hausdächern auftaucht.
Wir entschieden uns dafür mit der Rittner Seilbahn zu fahren. Ursprünglich wurde sie 1966 als Pendelbahn gebaut – meine absolute Lieblingsbauweise bei Seilbahnen. Diese riesigen Kabinen, die mit majestätischer Eleganz die letzten Meter in ihre Station fahren, sind für mich einfach der Inbegriff für Seilbahnen. Leider wurde die Rittner Seilbahn in dieser Bauweise 2007 demontiert und durch eine normale Umlaufbahn ersetzt.
Auf dem nächsten Bild sieht man sehr gut die Integration der Talstation mitten in die Stadt Bozen, so dass die Gondeln sogar über manche Dachterrasse hinweg schwebten. Die Innenstadt liegt auf diesem Foto am rechten Rand, während direkt hinter der Gondelstation der Bahnhof von Bozen sieht. Wenn man ganz genau hinschaut, erkennt man die Brennerautobahn entlang des Bergrückens im Hintergrund anhand von einigen weißen LKWs.
Vor 1966 wurde die Strecke von Bozen nach Oberbozen mit einer Zahnradbahn bewältigt. Allerdings stellte man schon nach dem Zweiten Weltkrieg einen dringenden Handlungsbedarf fest, da die kleine Bahn technisch schon lange nicht mehr auf dem neuesten Stand war und auch mit ihrer geringen Transportfähigkeit nicht mehr lange durchhalten würde. Deswegen wurde der Bau einer Seilbahn forciert und die Zahnradbahn im Jahre 1966 stillgelegt.
Zum Glück schmiss man das alte Bähnlein nicht gleich auf den Müll. Ab der Haltestelle “Maria Himmelfahrt”, die sich bereits auf dem oberen Bergplateau von Oberbozen befindet, verkehrt die Rittnerbahn heute als Ausflugsbahn. Zum großen Teil wird die Strecke hier sogar mit alten historischen Zügen betrieben. Bei unseren Glück erwischten wir leider nur etwas neueres Rollmaterial, welches zur Entlastung der alten Züge z.B. aus Esslingen gekauft wurde. Dieser Zug müsste meinen Recherchen nach ehemals in St. Gallen gefahren sein.
Der Ausflug ist der ideale Zeitvertreib für einen richtig schönen Tag, den man mal in den Bergen um Bozen herum verbringen möchte. Der Preis für die Hin- und Rückfahrt mit der Rittner Seilbahn liegt bei 10€ pro Person, während man für eine Return-Fahrt mit der Schmalspurbahn noch einmal 6€ berappen muss. Aus meiner Sicht ein akzeptabler Preis für ein wenig Gondel- und Bahnfahren. Auf jeden Fall ist diese Art der Fortbewegung genau nach meinem Geschmack.
Die Stadt Oberbozen hingegen konnte mich nicht wirklich überzeugen. Eine Ursache für meine eher dürftige Begeisterung könnte auf jeden Fall das Wetter gewesen sein. Zum anderen fand ich hier eine Ladenlandschaft, die mich persönlich sofort die Flucht ergreifen ließ: Gasthaus reihte sich an Restaurant, die wiederum neben Pensionen standen. Die Ausrichtung auf den Touristen war klar erkennbar, und so etwas schreckt mich immer etwas ab.
Nach einem kurzen Rundgang bestiegen wir wieder unsere Gondel, und machten und dieses Mal auf die Jagd nach einem besonderen Foto. Da vor unserer Wohnung ständig die Rittner Seilbahn mehr als gut sichtbar vorbei schwebte, müsste das Fotografieren in der umgekehrten Richtung ja mindestens genauso gut funktioniert. Wenn ihr auf dem folgenden Foto ganz genau hinschaut, könnt ihr sogar mein Auto etwa zwei Finger breit über dem Pool erkennen.
Auf diesem Foto erkennt man noch einmal den Reinhold-Messner-Gedächtnis-Aufstieg zu unserer Wohnung. Ja, er war steil. Meine Waden können das selbst nach einer Woche noch bestätigten.
Zum Schluss möchte ich euch noch ein paar Impressionen von Bozen nicht vorenthalten. An diesem Wochenende gab es noch ein kleines Stadtfest rund um den zentralen Waltherplatz. Dieser ist übrigens Walther von der Vogelweide gewidmet, einem der bedeutendsten Lyriker des Mittelalters.
Direkt gegenüber befindet sich der Dom Maria Himmelfahrt.
Gut zu sehen ist hier das Walther-Denkmal in der Mitte des Platzes und der Dom im Hintergrund.
Mit diesen Impressionen der wirklich netten Innenstadt machten wir uns dann schon wieder auf den Heimweg. Das Wetter sollte nämlich nicht wirklich besser werden. Ganz im Gegenteil: Für den Abend hatten sich schon ein paar große Gewitter angekündigt. Außerdem blieb die Passstraße eine große Unbekannte. Denn wie wir leidvoll feststellen musste, neigten sich in Bayern gerade die Sommerferien dem Ende entgegen. Und da sollten wir lieber keine Zeit verlieren.
Leider verwandelten sich unsere düstersten Prophezeiungen in zähe Blechlawinen, so dass wir ab der Abfahrt Sterzing nur mühsam in langen Kolonnen durch die Berge schlichen. Ohne diskreten Grund brachte die schiere Menge an Fahrzeugen die Straßen zum kollabieren, wobei ich mich an manchen Stellen wirklich fragte, welcher Vollhorst Bauarbeiten an einer solchen Ferienstrecke mitten in die Sommerferien legt. Klar, bei Brückenbauarbeiten am Brennerpass selber habe ich durchaus Verständnis – hier sollte die Sicherheit immer vorgehen und die Beeinträchtigungen hielten sich in Grenzen.
Aber gerade der Zustand der A93 von der Grenze bis zum Inntaldreieck ist seit meiner Kindheit desolat. Ausgerechnet jetzt eine komplette Fahrbahn aufzureißen, ist aus meiner Sicht eine totale Schnapsidee und zeugt nicht gerade von planerischer Weitsicht.
Fazit: Es lohnt sich manchmal auf die Bremse zu treten. Nicht nur um manche Momente etwas bewusster zu leben, sondern auch um Orte auf dem Weg kennenzulernen, die man sonst nur von Autobahnschildern kennt. Und keine Sorge, damit meine ich nicht, dass ihr nun anfangen sollt, jeden Rastplatz zu beschnuppern. Gerade Südtirol lädt aber zum Stoppen ein. Die kurze Anfahrt, zumindest aus dem deutschen Süden, belohnt mit einer wunderbaren mediterranen Landschaft, deren großer Vorteil es ist, auf der richtigen Seite der Alpen zu liegen.
Kulinariker kommen wahrscheinlich am besten in Südtirol auf ihre Kosten. Die Aktivtouristen dürften ihnen aber nur wenige Meter mit gut ausgerüsteten Mountainbikes oder auf gebirgsfesten Wanderschuhen folgen. Mit dem Ötzi hat Südtirol sein absolutes Alleinstellungsmerkmal genau vor der Haustür in den eigenen Bergen gefunden.
Es sollte für jeden etwas dabei sein. Nur die ganz hart gesottenen Wasserratten haben eher schlechte Chancen. Sie müssen definitiv noch mindestens ein Stündchen auf der A22 weiterfahren.
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