Istanbul Reisebericht #3.2: Marmaray & Leanderturm
Wie man sieht, kann selbst ein verlängertes Osterwochenende zu wenig Zeit für einen vollständigen Kurzurlaub in Istanbul sein. Doch die Entscheidung war getroffen: Statt das Innere des Hagia Sophia zu besichtigten, wollten wir die Seiten wechseln, und auch der asiatischen Seite von Istanbul einen ausgiebigen Besuch abstatten.
Wie üblich heißt aufgeschoben bei Reisebloggern nie aufgehoben. Die Hagia Sophia können wir ja immer noch beim nächsten Besuch in Istanbul besichtigen. Mit großer Sicherheit wird dies nicht der letzte Besuch in Istanbul bleiben.
Mit einem letzten Blick von Europa nach Asien machten wir uns auf dem Weg, um genau diesen Blick um 180° zu drehen. Genau dieses Motiv wollten wir am Ende des Tags in der gegensätzlichen Richtung knipsen.
Mit der Straßenbahn ging es zurück nach Eminönü. Dort befindet sich der Bahnhof Istanbul Sirkeci, in dem auch internationale und regionale Züge verkehren, die von Istanbul aus nach Westen Richtung Europa fahren.
So wirklich schlau wurde ich nicht aus diesem Bahnhof. Nach dem Betreten hatte ich mehr das Gefühl eines verlassenen Gebäudes mit musealem Charakter. Zwar waren die Wartehallen und Gleisanlagen in gutem Zustand, alle anderen Teile des Gebäudes sonst aber wie ausgestorben. Das einzig Auffällige waren die unzähligen Katzen, die sich auf einem Grünstreifen zwischen den Gleisen sonnten. Von verkehrenden Zügen fehlte übrigens jede Spur.
Ob dieser Bahnhof nun wirklich noch Touristen und Geschäftsleute nach Istanbul befördert, oder ob dies nun komplett von den zwei Flughäfen Atatürk und Sabiha Gökçen übernommen wird, kann mir auch egal sein. Mein Hauptaugenmerk lag komplett auf der Marmaray Linie, die unterhalb des Bosporus die asiastische und europäische Seite verbindet.
Anfang 2013 wurde dafür der Tunnel fertig gestellt, dessen Namen sich aus dem Teilen des Marmarameers und dem türkischen ray für Schiene oder Gleis zusammen setzt. Über viele Treppen ging es für uns erst einmal in den Abgrund.
Unterirdisch bekam ich ein Flashback der Pariser Metro. Ähnlich wie in der französischen Hauptstadt hatte ich auch hier das Gefühl, schon halb durch den Bosporus durchgelaufen zu sein, bis ich zum ersten Mal einen Zug vor Augen hatte.
Danach begrüßte uns eine recht moderne S-Bahn, die momentan noch isoliert vom restlichen Schienennetz des Landes zwischen drei Stationen pendelt. Die seit Oktober 2013 fahrende Linie soll später einmal sowohl auf europäischer als auch auf asiatischer Seite an das restliche Eisenbahnnetz angeschlossen werden. Der Termin dafür verschiebt sich allerdings immer wieder.
Nach nicht einmal fünf Minuten Fahrt kamen wir auf der asiatischen Seite an der Haltestelle Üsküdar wieder ans Tageslicht. Komischerweise reichten hier deutlich weniger Rolltreppen bis zum Ausgang. Anscheinend liegt der Bahnhof in Eminönü deutlich tiefer unter der Erdoberfläche.
Die Züge der Marmaray sind übrigens genau wie alle anderen Öffis mit der Istanbulkart bezahlbar. Eigentlich hätte ich hier mit einem saftigen Aufschlag für diese besondere Strecke gerechnet und meine Karte deswegen etwas höher aufgeladen. Mit ungefähr 2 Lira kostete sie jedoch genau so viel wie die Straßenbahnfahrt zuvor.
An den vielen Fähren vorbei hatten wir nun zum ersten Mal einen Blick auf die europäische Seite, auf der wir uns bisher immer aufgehalten hatten. Hier ist auch gut der Höhenunterschied zu erkennen, den wir am Morgen auf dem Weg zum Taksim-Platz erklimmen mussten.
Wäre uns dieser Blick schon früher zur Verfügung gestanden, hätten wir uns vielleicht noch umstimmen lassen. Zum Taksim Platz fährt nämlich auch eine unterirdische Seilbahn: Die sogenannte Füniküler von der Straßenbahn Endstation Kabataş hinauf nach Taksim.
Nachdem wir in der letzten Zeit zum ultimativen James Bond Marathon angesetzt hatten, interessierte uns besonders der Leanderturm, der im Finale von “Der Morgen stirbt nie” die Hauptrolle eingenommen hatte. Genau dort wurde Pierce Brosnan in der Rolle des englischen Geheimagenten von Electra King (gespielt von Sophie Marceau) mit einer Garotte in die Mangel genommen, während gleichzeitig ein Atom U-Boot den Bosporus nuklear verseuchen sollte.
Dass der Plan im letzten Moment vereitelt werden konnte, versteht sich von selbst.
Die wahre Geschichte hinter dem Leanderturm ist weit aus langweiliger. Über die Jahre diente der Turm wahlweise als Leuchtturm, als Telegrafenmast, Quarantänestation oder als schmuckes Haus für verdiente Kapitäne im Ruhestand.
Zu der Zeit, als Istanbul nach Konstantinopel hieß, soll eine Kette vom Leanderturm über den Bosporus gespannt worden sein, um feindliche Schiffe von Invasionen abzuhalten. Das andere Ende der Kette wurde dabei am Mangana-Palast befestigt. An seiner Stelle befindet sich heute der Gülhane-Park auf der europäischen Seite.
Zwei Legenden ranken sich um den Leanderturm, von denen beide namensgebend sind: Zum einen schwamm ein verliebter Mann namens Leander jede Nacht zu seiner Freundin Hero auf die Insel, bis er eines Nachts durch ein erloschenes Licht die Orientierung verlor und ertrank. Natürlich stürzte sich die Geliebte ebenfalls in die Fluten, als sie vom Unglück erfuhr, was die Geschichte gleich noch eine Portion tragischer macht.
Die türkische Legende, die auch den alternativen Namen Kız Kulesi (Mädchenturm) begründet, handelt von einer türkischen Prinzessin. Nachdem eine Wahrsagerin ihren Tod durch Gift vorhergesagt hatte, sperrte sie der übervorsichtige Vater auf der Turm der Insel ein. Dort starb sie – ebenfalls tragischerweise – durch das Gift einer Schlange, die sich über einen Obstkorb in den Leanderturm geschmuggelt hatte.
Eine Besonderheit der asiatischen Seite ist die Gestaltung des Ufers, das fast vollständig mit Kissen zu improvisierten Cafés umgebaut wurde. Auf einer Länge von fast zwei Kilometern habe ich keinen einzigen Fleck am Wasser gefunden, an dem kein türkischer Tee oder ähnliches serviert wird. Wer will, kann hier nicht nur den Abend ausklingen lassen, sondern auch den ganzen Tag die Aussicht auf die gegenüberliegende Seite genießen.
Auch für uns wäre ein wenig Chillen vor Ort eine Option gewesen, wenn nicht das Kofferpacken uns zurück ins Hotel gerufen hätte. Und so gönnten wir uns – genau wie am vorherigen Tag – noch eine Kumpir-Kartoffel und machten uns mit der S-Bahn wieder auf den Weg.
Aus diesem Grund lasse ich den heutigen Bericht mit ein paar Bildern mit Blick auf den Bosporus enden.
Istanbul – Weitere Reiseberichte
- Tag 1: Hinflug mit Turkish Airlines von München
- Tag 2.1: Blaue Moschee & Hagia Sophia
- Tag 2.2: Gülhane-Park & Ortaköy am Bosporus
- Tag 3.1: Taksim Platz & Gezi Park
- Tag 3.2: Marmaray & Leanderturm
- Tag 4: Rückflug vom Flughafen Atatürk nach München
Hi Phil,
na das sind mal komplett andere Eindrücke von der asiatischen Seite
Istanbuls.
Von den teilweise irre langen Gängen der Istanbuler Metro im
asiatischen Teiö habe ich schon gehört. Aber alles top sauber.
Die Bezeichnung “Füniküler” für eine Seilbahn ist irgendwie ziemlich
schräg:D
Ist der nächste Teil dann schon der Rückflug?
LG Stefan
Wir mussten bei Füniküler auch etwas schmunzel. Allerdings scheint hier das französisches Wort einfach “einge-türkt” worden zu sein. Das ist ja eigentlich nichts Neues, sondern in vielen Sprachen ganz normal :)
Der Rückflug geht tatsächlich als nächster Teil online!
LG Phil