Istanbul Reisebericht #2.2: Gülhane-Park & Ortaköy am Bosporus
Die Wahl war getroffen: Statt Indoor Sightseeing in der Hagia Sophia sollte es auf Schusters Rappen weiter in Richtung Bosporus gehen, um das schöne Wetter maximal auszunutzen.
Hätten wir zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass uns auch der nächste Tag strahlenden Sonnenschein bescheren würde, hätten wir sicher das Tempo drosseln können.
Aber egal. Erster Stop: Der Gülhane Park, direkt um die Ecke der Blauen Moschee.
Dieser Park befindet sich im Stadtteil Fatih und innerhalb des Topkapı Palastes, der so ziemlich an der Spitze der europäischen Halbinsel von Istanbul in Richtung Bosporus bzw. Marmarameer liegt. Wie es sich für eine so exquisite Lage gehört, stand dieser Wohnsitz früher den Sultanen des Osmanischen Reiches zu. Der heutige Park ist also nichts weiter als der frühere Garten des Palastes.
Wie auf den Bildern unschwer zu erkennen ist, hat sich die Stadtverwaltung zu einem wahren Tulpenmeer in der Stadt entschlossen. Kein Wunder: Anders als man vielleicht vermuten wurde, stammt das Wort “Tulpe” vom persischen Wort “tülbend” ab, was ursprünglich nichts anders als Turban bedeutet.
Zwar hatten die Niederländer lange Zeit ein faktisches Marktmonopol auf Tulpen, welches unter anderem den ersten Börsencrash auslöste. Die eigentlich Tradition stammt aber aus dem Osmanischen Reich.
Dass die Tulpe die Nationalpflanze der Türkei ist, werdet ihr noch auf späteren Bildern sehen. Wir genossen erst einmal den kleinen Boxenstop im Gülhane Park. Auch die Springbrunnen dort sind nicht von schlechten Eltern und in erstaunlich gutem Zustand. Vor unserer Reise hatte ich aus Erzählungen ein ziemlich hektisches und lautes Bild von Istanbul vor Augen. Wieder ein Beispiel, dass nur das Selber-Hin-Reisen endlich Schluss mit Vorurteilen macht.
Baklava in Istanbul
Den nächsten Zwischenstopp könnten wir uns hervorragend schönreden. Die kleine Shoppingtour in einem Laden für Süßigkeiten und türkische Spezialitäten geschah nämlich aus purer Not. Zwar akzeptierte der Auflade-Automat für unsere Istanbulkart einen 50-Lira Schein, allerdings hätten wir diesen Betrag niemals mit ÖPNV-Fahrten abfahren können.
Welche andere Wahl blieb uns armen Städtereisenden also, als uns für kleines Geld ein paar Baklavas zu kaufen, die genüsslich zu verdrücken und anschließend mit dem Rückgeld den Automaten zu füttern? Beim Betrachten der folgenden Bilder hoffen Conny und ich auf euer Mitleid, angesichts des Opfers, das wir für das dringend benötigte Wechselgeld erbringen mussten.
Als nächstes Ziel stand ganz klar der Bosporus auf dem Plan. Diese Meeresenge zwischen Europa und Asien hatte mich schon immer fasziniert und war so auf die To-Do-Liste für den allerersten Tag gerutscht. Conny hatte von einer guten Blogger-Freundin Charlotte auf Anfrage mehrere Din-A4 Zettel mit Tipps für Istanbul erhalten. Ein Glück lag eine Café-Empfehlung von Charlotte fast genau am gleichen Ort wie die berühmte Bosporus-Brücke.
Also sprangen wir in die Straßenbahn und fuhren mit der T1 so weit nördlich wie möglich. Über Tophane und Fındıklı fuhren wir bis zur Endstation Kabataş.
Ohne weiteren Blick auf die Karte spazierten wir erst einmal durch den dichten Verkehr in Richtung Meer, um die ersten Sicherheits-Fotos vom Bosporus zu ergattern. Auf den ersten der folgenden Bilder sieht man die asiatische Seite.
Wer ganz genau hinschaut, sieht bereits ziemlich in der Mitte eine kleine viereckige Insel mit einem großen Turm. Dies ist der Leanderturm, den wir in einem der folgenden Blogposts noch einmal genauer – und vor allem aus der Nähe – unter die Lupe nehmen werden.
Der Blick in die andere Richtung markierte das Ziel für den heutigen Tag: Die Bosporus Brücke (Boğaz Köprüsü) verbindet seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1973 Asien mit Europa und überspannt insgesamt 1560 Meter.
Connys Wunsch-Café lag genau am Fuße des linken Pylons, und noch gute 4 Kilometer von uns entfernt. Da ein wenig Sport aber auch zu jeder Städtereise dazu gehört, scheuten wir uns nicht vor den 45 Minuten Fußmarsch. Da hatten wir auf vorherigen Reisen schon viel größere Distanzen zurück gelegt und überlebt.
Auch auf diesem Weg begegnete uns wieder ein wahres Meer aus Tulpen. Der Fußmarsch verlief ansonsten eher etwas ereignislos, bis auf die Tatsache, dass man mit jedem Meter mehr auf den Beinen tiefer in die Stadt eintaucht. Klar kann man sich auch mit einem Bus von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit fahren lassen. Ich kann es jedem nur raten, sich einfach mit einer guten Karte zu Fuß durch die Stadt treiben zu lassen.
Nach dem Aufstellen einer persönlichen Bestzeit erreichten wir die Ortaköy-Moschee im Distrikt Beşiktaş am Hafen von Ortaköy.
Klar, dass Connys kulinarisches Ziel erst noch ein wenig warten musste. Schließlich war ich wie üblich auf der Jagd nach dem perfekten Fotomotiv. Glücklicherweise hatte jemand das passende Fischerboot mit türkischer Flagge im Wasser positioniert, so dass ich nach nur einem Anlauf eines meiner Lieblingsfotos dieser Reise auf die SD-Karte gebannt hatte.
Aber auch im Gegenlicht machte der Bosporus eine verdammt gute Figur.
Bosporus Brücke in Beşiktaş
Wagen wir an dieser Stelle aber den Schwenk von romantischen Bildmotiven hin zu architektonischen Fakten der Superlative. Tatsächlich gab es vor 1973 keine einzige Brücke zwischen den Kontinenten, so dass alle Transitpassagiere auf Fähren angewiesen waren. Heute steht eine sechsspurige Autobahn zur Verfügung, deren Fahrtrichtung an den Berufsverkehr angepasst werden. An Werktagen führen morgens vier Spuren von Asien nach Europa, abends ist es umgekehrt.
Die ersten vier Jahre stand die Bosporus Brücke übrigens auch Fußgängern offen. Nachdem man die Anzahl der Selbstmörder nicht in den Griff bekommen hatte, steht die Brücke heute allein Autofahrern offen, die jedoch eine Maut bezahlen müssen. Pro Monat nimmt die Stadt von Autofahrern 10 Millionen Euro ein.
Istanbul verdankt seinen heutigen Status als Metropole der Meerenge zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marmarameer, welches letztendlich nichts anderes als der Ausläufer des Mittelmeers zwischen Griechenland und der Türkei ist.
Die Meerenge schlängelt sich auf einer Breite von ungefähr 700 Metern noch etwa 30 Kilometer hinter Istanbul entlang, bevor die Kapitäne der Frachtschiffe freie Fahrt zu den Häfen von Odessa, Sewastopol, Jalta, Sochi oder Trabzon haben.
Mit bis zu 5500 Tankern pro Jahr und 2 Millionen Barrel Öl pro Tag gehört der Bosporus zu den meist befahrenen Seewegen dieser Welt. Leider führt diese Rush-Hour auch immer wieder zu schweren Unfällen, besonders wenn Schiffe in der engen Passage ihre Manövrierfähigkeit verlieren und gegen eines der Ufer prallen. So gab es von 1953 bis 2002 insgesamt 461 Unfälle mit teilweise schweren Konsequenzen.
Ein Vorteil dieses wahnsinnigen Verkehrs auf dem Wasser ist dabei die Anzahl der verschiedenen Fotomotive, die mir während der gut einen Stunde in Ortaköy vor die Linse schwammen. Neben riesigen Tankern und Ausflugsschiffen, war sogar ein U-Boot mit stolz gehisster türkischer Flagge dabei.
Natürlich gab es aber nicht nur U-Boote für mich, sondern auch eine Kartoffel für Conny. Kumpir ist das Leibgericht der Einwohner des Stadtteils Beşiktaş und besteht aus einer frischen Ofenkartoffel, die ähnlich wie Döner nach Wunsch gefüllt werden kann.
Angesichts unserer Ahnungslosigkeit in Bezug auf Kartoffeln und mangelnden Sprachkenntnissen nahmen wir einen “Kumpir mit alles” und ließen ihn uns im Beltas Café mit Blick auf den Bosporus schmecken.
Als letztes stand dann die Heimreise im Sonnenuntergang an. Auf dem Weg zurück mit der Straßenbahn entschlossen wir uns an der Galatabrücke auszusteigen und Istanbul mit seinen letzten goldenen Sonnenstrahlen zu fotografieren.
Die Galatabrücke liegt dabei zwischen dem Viertel Eminönü und Karaköy, dessen ursprünglicher Name Galata war und so den Namen begründet. Unter der Brücke befindet sich das sogenannte Goldene Horn, eine ca. 7 Kilometer lange Bucht des Bosporus.
Bei der großen Anzahl der Moscheen in Istanbul mussten zwangsläufig ein paar Gotteshäuser während unserer Reise auf der Strecke bleiben. An dieser Stelle gibt’s deswegen nur einen Blick aus der Ferne auf die Süleymaniye-Moschee.
Bei solchen Bildern im Gepäck sollte man eigentlich keine Steigerung mehr erwarten können. Dennoch versuchten wir unser Glück auf der Dachterasse unseres Hotels und trauten auch hier unseren Augen kaum. Vor dem Einsetzen der blauen Stunde verabschiedete sich die Sonne noch mit einem wahnsinnigen Farbenspiel am Horizont.
Die folgenden Bilder sind in Richtung Mittelmeer geschossen. Gut sieht man die Menge an Frachtschiffen, die über Nacht vor der Küste ankerten, um auf den richtigen Moment für die Durchfahrt des Bosporus zu warten.
Da unser Hotel sehr nah am Sultanahmet Platz lag, konnten wir diesen auch gut vom Dach aus ablichten. Das vorletzte Bild dieses Blogposts zeigt die Blaue Moschee mit der Einfahrt des Bosporus im Hintergrund.
Dank des guten Wetters gibt’s auch im nächsten Bericht wieder viele Fotos, unter anderem vom Taksim Platz und dem Gezi Park.
Istanbul – Weitere Reiseberichte
- Tag 1: Hinflug mit Turkish Airlines von München
- Tag 2.1: Blaue Moschee & Hagia Sophia
- Tag 2.2: Gülhane-Park & Ortaköy am Bosporus
- Tag 3.1: Taksim Platz & Gezi Park
- Tag 3.2: Marmaray & Leanderturm
- Tag 4: Rückflug vom Flughafen Atatürk nach München
Hi Phil,
da hast Du mit dem aktuellen Post mal wieder 100% gegeben. Mich
fasziniert irgendwie der Mix von “Neu”, “nicht mehr ganz neu” und “uralt” in Istanbul.
Tja, Baklava ist ein spezielles Thema. Da ich in meinem bisherigen Be-
rufsleben schon mehrmals türkische Arbeitskolleginnen und -kollegen hatte, durfte ich da auch schon mal testen. Einiges ist mir aber ehrlich gesagt viel zu süß. Trotzdem sieht´s lecker aus. Waren diese Rollen mit Pistazien gefüllt?
Ist der Stadtteil Besiktas eigentlich auch die Heimat vom gleichnamigen
Fußballclub?
Da Ihr sehr nah am Bosporus gewesen seid, habt Ihr auch irgendwie Gestank bemerkt? Ein guter Freund war vor einigen Jahren in Istanbul und hatte dies sofort festgestellt. Vielleicht ist das ja auch witterungsabhängig.
LG Stefan
Zuviel des Lobes, Stefan :) Die Stadt hat mich aber auch wirklich sehr fasziniert, so dass ich unbedingt alles in guten Bildern festhalten wollte. Ehrlich gesagt, hatte ich sogar am Anfang leichte Zweifel, ob ich es überhaupt schaffen würde, eine Stadt wie Istanbul in einem Reisebericht im Phil-Style einzufangen. Irgendwie kam mir alles “zu groß” vor, als dass ich es in drei Tagen sehen konnte. Und einen Bericht als “pars pro toto” wollte ich irgendwie auch nicht, in dem ich mir nur ein Viertel heraus picke. Ich hoffe, es ist mir gelungen, einen guten “Ersttäter-Bericht” zu schreiben.
LG Phil
Hey Phil,
das ist echt ein toller Bericht über Istanbul mit atemberaubenden Bildern. Und vor allem zeigst du mal ein paar andere Ecken der Stadt, nicht nur die Touri Hotspots. Ich konnte gar nicht mehr aufhören alle deine Berichte über Istanbul zu lesen, wird es noch mehr geben ;)
Ich liebe es auch durch den Gülhane Park zu schlendern, die Tulpen zu bestaunen und vor allem die Ruhe zu genießen! Auch schön ist es zwischen der ersten und zweiten Bosporusbrücke zu spazieren (Nähe Rumeli Hisarı), dort gibt es eine richtige Promenade und es ist nicht alles zugebaut dort kann man die Schiffe auch super beobacheten, vielleicht reist ihr ja nochmal nach Istanbul.
Alles Liebe
Swanni (https://sliceofistanbul.wordpress.com/)
Hey Swanni! Freut mich, dass dir die Berichte so gut gefallen. Der Nachschub wurde heute veröffentlicht und du kannst dir nun auch die asiatische Seite anschauen. Ein wenig Kritik muss ich aber dennoch an mir üben: Ich glaube, es sind schon einige Touri-Hotspots in meinen Berichten dabei. Klar, beim ersten Mal macht man halt oft das, was jeder macht.
Lob auch von mir an den Gülhane Park. Ich war wirklich erstaunt, wie ruhig und beschaulich es mitten in einer solchen Metropole sein kann.
LG Phil
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