Kreuzfahrt Sea Cloud II – Tag 3.1 – Gemeinsames Segeln mit der Sea Cloud
Ein neuer Tag begann für uns auf dem Atlantischen Ozean. Genau wie schon am Vortag hatte die Sea Cloud II noch in keinem Hafen angelegt und befand sich noch auf hoher See. Zugegeben ein tolles Gefühl, da vor allem der Zeitdruck beim Frühstück komplett weg fiel. Kein “Schnell! Wir wollen doch in die Stadt” und auch keine Aufbruchstimmung an den Nachbartischen. Stattdessen kann man sich am Buffet alle Zeit der Welt lassen. Das Sonnendeck würde schon warten.
Wer ganz genau hinschaute, konnte allerdings doch ein wenig Hektik sehen. Während des Frühstücks sah man immer wieder jemand, der seinen Kopf nach Backbord drehte. War sie noch da? Wo war sie genau?
Ja, heute stand ein besonderer Anlass auf dem Programm: Die beiden Schwesterschiffe Sea Cloud und die Sea Cloud II sollten den ganzen Vormittag Seite an Seite segeln, bis schließlich kurz vor Sonnenuntergang der Hafen von La Gomera auf dem Programm stand.
Und so hatten wir gleich am Morgen die folgende Aussicht:
An dieser Stelle muss ich vielleicht ein wenig weiter ausholen, und die Geschichte der Sea Cloud genauer erzählen. Ihr Aussehen ist nämlich keinesfalls das Produkt der Retro-Fantasie eines Designers für ältere Schiffe. Die Sea Cloud ist ein absolutes Original aus dem Jahr 1931, die vom erfolgreichen Börsenmakler Edward Francis Hutton aus New York unter dem Namen Hussar in Auftrag gegeben wurde.
Die “Hussar V” (so der offizielle Name, denn Edward besaß davor bereits vier andere Yachten mit dem gleichen Namen) wurde damals übrigens in Deutschland gebaut, das wegen seinen deutlich günstigeren Löhnen damals in Amerika als Billiglohnland galt. Hauptsächlich wurde die junge Sea Cloud I damals von Edwards Frau, der reichen Erbin Marjorie Merriweather Post betreut. Laut den Aufzeichnungen liebte sie das Schiff über alles, und ließ es dementsprechend nur mit der besten Innenausstattung ausrüsten. So fanden Badewannen aus Carraramarmor und Armaturen aus reinstem Gold ihren Weg an Bord.
In der Gegenwart hatte uns die Sea Cloud mittlerweile überholt und ließ sich an unserer Steuerbord-Seite zurückfallen. Deswegen gibt’s die nächsten Fotos im Gegenlicht. Kenner dürften die Insel im Hintergrund schnell identifiziert haben. Natürlich ist der markante Vulkan niemand geringeres als der Teide von Teneriffa. Zwischen den beiden nächsten Bildern ist auch gut der Unterschied in den Segeln zu erkennen: Hatten beide Schiffe wegen des starken Windes am frühen Morgen nur die Sturmbesegelung gesetzt, erlaubte ein leichtes Abschwächen des Windes das Setzen aller verfügbaren Segel.
Aber nun zurück zur Geschichte der legendären Sea Cloud, die zur Unterscheidung zur viel neueren Sea Cloud II auch manchmal als Sea Cloud I bezeichnet wird. Marjorie hatte in vielerlei Hinsicht ähnliche perfektionistische Züge wie ich: Bevor etwas in “ihr” Schiff eingebaut werden durfte, ließ sie es erst als Mock-Up testen. So mietete sie eine Lagerhalle, in der sie das Interieur des Schiffes stets zuerst aufbauen ließ. Und so brachte es Edward Francis Hutton selbst nach der Scheidung von Marjorie im Jahr 1935 nicht über’s Herz, ihr das Schiff zu nehmen. Marjorie ließ den bisher schwarzen Rumpf in weiß streichen, taufte das Schiff in Sea Cloud um und zog mit ihm nach Leningrad um. Da sie bereits ein Jahr später den amerikanischen Botschafter in Moskau Joseph E. Davies heiratete, diente das Schiff auch gerne als abhörsicherer Platz für diplomatische Treffen.
Zurück ins Jahr 2015: Die folgenden Bilder zeigen die Sea Cloud, wie sie gerade wieder zum Überholen ansetzt. Hinter ihr sieht man das mächtige Teno-Gebirge der Insel Teneriffa. Dort waren wir auch im Jahr 2013, als wir mit dem Mietwagen zum kleinen Örtchen Masca gefahren waren. Wer genau hinschaut, sieht sogar den Leuchtturm Punta de Teno, der auf einer kleinen Landzunge erbaut wurde. Dieser Felsen stellt den nordwestlichsten Punkt Teneriffas dar.
Der Zweite Weltkrieg stellte einen Wendepunkt in der Geschichte der Sea Cloud dar: Für einen symbolischen Dollar wurde das luxriöse Segelschiff an die Küstenwache verkauft. Das Interieur wurde ausgebaut und zum Glück an Land konserviert. Alle Masten wurden bis auf einen abmontiert, während das Schiff nun mit Kanonen und Maschinenpistolen bewaffnet vor der Küste Grönlands zur Uboot-Jagd eingesetzt wurde.
Nach dem Krieg ging das Schiff an Marjorie, die es wieder in den ursprünglichen Zustand zurück bauen ließ. Nachdem auch die zweite Ehe 1955 in einer Scheidung endete, stand das Boot abermals zum Verkauf. Als Käufer fand sich der Diktator der Dominikanischen Republik Rafael Leónidas Trujillo Molina, der das Schiff nach seiner Tochter Angelita benannte. In dieser nicht ganz so rühmlichen Zeit diente die Sea Cloud auch als schwimmende Regierungszentrale des Diktators.
Ganz ohne Diktator zeigt das nächste Foto eine Totale von Teneriffa. Gut zu erkennen sind die Wolken, die sich immer genau oberhalb der Inseln sammeln. Ebenfalls beweist das Foto mal wieder, dass auf Teneriffa immer die Sonne scheint. Einzige Voraussetzung: Man muss nur weit genau auf den Teide fahren. Genau dort knipsten wir auch im Jahr 2013 die Bilder von der Milchstraße.
Nach der Ermordung Trujillos wurde die Yacht 1966 vom Kreuzfahrt-Unternehmer John Blue gekauft und in Antarna umbenannt. Da Blue es mit dem Bezahlen von Rechnungen nicht so genau nahm und sein Schiff mit Schulden in Neapel fest saß, wurde die Yacht von der 26jährigen Stephanie Gallagher gekapert, die mit der Antarna eine Segelschule eröffnen wollte. Die schlecht geplante Kaperfahrt nahm ihr Ende im Hafen von Colón in Panama, wo sich John Blue sein Schiff zurück holte.
Leider endeten damit auch die wilden Jahre der Sea Cloud. Ohne weitere Pläne wurde sie im Hafen vergessen und ihrem Schicksal überlassen.
Ab 1978 ging es dann wieder steil aufwärts. Der deutsche Kapitän Hartmut Paschburg entdeckte die Sea Cloud in Colón und ließ sie nach notdürftigen Reparaturen nach Hamburg überführen. Dort wurden dann die heute sichtbaren Umbauten gemacht: Auf dem mittleren Deckhaus wurde ein weiteres Stockwerk errichtet und 22 zusätzliche Kabinen an Bord verbaut.
Interessanter Fakt: Trotz leicht gestiegener Passagierkabinen ist die Zahl der Crew von heute und zu Zeiten Marjories fast identisch geblieben. Auch die ursprüngliche Einrichtung aus Gold und Marmor überstand den Zahn der Zeit ist heute noch die selbe wie damals.
1981 wurde die äußerliche Silhoutte durch das Anbringen von höheren Segeln an die neuen Decksaufbauten angepasst. Seit 1994 gehört die Sea Cloud zur Sea Cloud Cruises und bietet hauptsächlich Kreuzfahrten in der Karibik und um Europa an. Um die Flotte zu vergrößern wurde 1999 unsere Sea Cloud II fertig gestellt. Äußerlich sollte sie so viele Gemeinsamkeiten wie möglich mit der älteren Sea Cloud haben. Unter der Haube ist sie aber eine komplette Neukonstruktion: So ist die Sea Cloud II deutlich barrierefreier ausgebaut. Neueste Technik sucht man bei der Segelanlage aber vergebens. Nach wie vor werden alle Segel von Hand gesetzt. Wenn der Kapitän das höchste Segel im Mast setzen möchte, dann klettert ein hoffentlich schwindelfreies Crewmitglied bis auf 54 Meter den Mast nach oben.
Mit diesen herrlichen Bildern lasse ich auch schon den ersten Teil des dritten Tages enden. Im zweiten Teil gibt’s dann alle Fotos von unserem zweiten Landausflug: Es folgt unser kleiner Sightseeing-Ausflug nach San Sebastián de La Gomera.
Weitere Sea Cloud II – Reiseberichte:
- Tag 1.1: Hinflug nach Gran Canaria mit TuiFly
- Tag 1.2: Unsere Kabine & Einschiffung auf Gran Canaria
- Tag 2: Teneriffa
- Tag 3.1: Gemeinsames Segeln mit der Sea Cloud
- Tag 3.2: San Sebastián de La Gomera
- Tag 4: Wale am Seetag
- Tag 5: Las Palmas, Gran Canaria & Heimflug nach Stuttgart
Alle Bilder in diesem Artikel sind von Conny bzw. mir fotografiert und keine Pressefotos. Vielen Dank an Sea Cloud Cruises für die Einladung zur Kreuzfahrt mit der Sea Cloud II.