Kreuzfahrt Sea Cloud II – Tag 3.2 – San Sebastián de La Gomera
Hinweis: Wer meine Reiseberichte lieber als Video anschaut, der findet auf YouTube schon die Reisereportage über die Sea Cloud II. Eine kompletter Blogpost über das Video folgt noch.
Bis weit nach Mittag hatten die Sea Cloud und die Sea Cloud II zusammen in den Gewässern zwischen La Gomera und Teneriffa verbracht. Nach der langen Zeit des parallelen Segelns setzen beide Schiffe gegen Abend den Kurs Richtung La Gomera – Unser Ziel war die Hauptstadt San Sebastián an der Ostküste der fast kreisrunden Insel. Den Begriff Hauptstadt werde ich an dieser Stelle fast in Gänsefüßchen setzen müssen. Gerade einmal 8.600 Einwohner zählt die größte Gemeinde von La Gomera. Gemessen mit der Zahl der Gesamteinwohner von knapp 22.000 ist die Stellung allerdings gerechtfertigt. Wie man sieht, hatten wir auch hier ein wenig Glück mit dem Wetter. Obwohl das Innere der Insel dick unter den Wolken hing, bekam die Küstenlinie noch ein paar Sonnenstrahlen ab.
Straßen waren bin zu den 1960er Jahren auf der Insel eher Mangelware, da alle Waren- und Personentransporte über Schiffe abgewickelt wurden. Ein gut ausgebautes Straßennetz wurde mittlerweile aufgebaut. Allerdings gehen alle Verbindungen nur über die Mitte der Insel. Eine Busfahrt von einem Ende zum anderen kann trotz maximaler Luftlinie von 40 Kilometern gut und gerne einmal drei Stunden dauern. Seit 1999 verfügt die Insel auch über einen Flughafen. Pro Tag fliegen zwei Propellermaschinen nach Teneriffa und zurück.
Das Anlegen der Segelschiffe der Sea Cloud Cruises geschah streng nach Baujahr. Als wir ankamen hatte die Sea Cloud bereits an der Mole festgemacht und wartete bereits auf uns. Das folgende Bild des Hafen lässt sich gut mit dem Motto “alt trifft neu” beschrieben. Links im Bild ist die Benchijigua Express der Fred. Olsen Express Fähren. Dieses Schiff – mit einem Namen, den man nur aussprechen kann, wenn man zufällig im gleichnamigen Dorf auf La Gomera aufgewachsen ist – darf sich als Trimaran-Schnellfähre mit einer Länge von 126 Metern über den Titel “zweitgrößter Trimaran der Welt” freuen. Platz 1 geht an die amerikanische Navy mit ihrer USS Independence.
Das Schöne auf solchen Reisen sind grundsätzlich immer die ungeplanten Ereignisse. Da Conny und ich wirklich kein Manöver des Schiffes unfotografiert ließen und auch beim Ablichten der Sea Cloud am Vormittag wirklich jedes Objektiv einmal ausprobiert hatten, wurden wir gefragt, ob wir nicht noch aktuelle Gruppenfotos von der Crew und dem Schiff fotografieren könnten. Klar, dass wir hier sofort zusagten. Auf den Fotos seht ihr nun die Anzahl an Personen, die benötigt wird, um ein Schiff dieser Größe sicher zu segeln. Grüße hierbei an unseren Kapitän aus der Schweiz und seine Mannschaft.
Nach diesem kleinen Foto-Shooting mussten wir eine schwere Entscheidung treffen: Entweder würden wir die Chance nutzen und die Sea Cloud I von Innen genauer unter die Lupe nehmen oder wir würden noch einen kleinen Sprint nach San Sebastián riskieren. Wer uns kennt, kann sich sicher denken, was passierte: Schnell packten wir unser Equipment zusammen und eilten in Richtung Stadt.
Im Jahr 2000 wurde der Hafen um einen sehr großzügigen Yachthafen erweitert. Mit seiner Entfernung von “nur” 38 Kilometern zur Stadt Los Cristianos auf Teneriffa ist La Gomera ein idealer Ausgangspunkt für Wassersportfreunde.
Die Trinkwasserversorgung ist auf der zweitkleinsten Insel der Kanaren nach El Hierro übrigens kein Problem: Neben einigen Brunnen wird auch Wasser aus den Nebelschwaben in den Bergen gewonnen. Einzig die Energieversorgung ist nicht ganz so einfach. Gut versteckt liegt westlich der Stadt San Sebastián ein Dieselkraftwerk, welches den nötigen Strom für die Insulaner erzeugt.
Vom Yachthafen aus konnten wir auch noch einmal einen Blick zurück auf die Sea Cloud (rechts) und die Sea Cloud II (links) werfen. Wie man sieht, besitzen beide Schiffe von außen tatsächlich sehr ähnliche Dimensionen. Das nachträgliche Aufsetzen eines zusätzlichen Stockwerks auf die Sea Cloud wurde allerdings beim Neubau gleich integriert. So ist beispielsweise der große Speisesaal am Heck der Sea Cloud II gut durch die hohen Fenster erkennbar.
Kommen wir nun aber zur Haupstadt von La Gomera. Vorbildlich steht auch hier ein Strand für Touristen und Einheimische direkt gegenüber des Hafens zur Verfügung. Mit einer handvoll Sonnenschirme würde ich nicht unbedingt von einer richtigen Tourismus-Infrastruktur sprechen. Allerdings hat die Urlaubsbranche die Insel La Gomera noch nicht allzu lange auf dem Schirm. Während Kreuzfahrtschiffe wegen des großen Hafens mittlerweile immer öfter in San Sebastián halten, führt ansonsten der sanfte Tourismus mit kleineren Unterkünften rund um die Insel und viel Wandern in der Natur die Hitlisten der Urlaubsmacher an.
Trotz der immer weiter sinkenden Sonne wollten wir unbedingt mehr von der Stadt sehen. Zusammengefasst befindet sich die Bebauung von San Sebastián entlang eines schmalen Tals zwischen zwei hohen Bergen und rund um den Hafen. Weiterhin wurden mittlerweile die Flanken der Berge bebaut. Keine schlechte Idee: Läuft man durch die kleinen Gässchen von San Sebastián, fällt auf, dass gerade die Häuser an den Hängen jeden letzten Sonnenstrahl noch ausnutzen können.
Dass eine eher abgelegene Stadt mit weniger als 10.000 Einwohnern eher weniger Sehenswürdigkeiten zu bieten hat, liegt auf der Hand. Wir bahnten uns dennoch den Weg zum vielleicht ältesten Gebäude der Stadt: Die Kirche Iglesia de Nuestra Señora de la Asunción.
Für eine Kirche, deren Ursprünge auf das 15. Jahrhundert zurück reichen, hat sie eine etwas bewegtere Geschichte. Mehrmals wurde sie durch Piratenangriffe in Mitleidenschaft gezogen und teilweise zerstört. Zur Sicherheit wurde sie deswegen mit Truhen für Kirchenbücher ausgestattet, die im Bedarfsfall schnell fortgebracht werden konnten. Auch besaßen die Glocken spezielle Seilzüge, mit denen sie rechtzeitig vor bevorstehenden Piraten-Plünderungen zu Boden gelassen und versteckt werden konnten. Der Rest der Einrichtung war aber schutzlos den Piraten oder mittellosen Seefahrern ausgesetzt. So wurden Altäre zersägt und zusammen mit Kirchenbänken als Brennholz für die Dampfkessel der Schiffe genutzt.
Das letzte To-Do ergab sich aus der Geographie des Ortes. Verfügte San Sebastián schon über zwei Berge, so stand für uns nur die Frage im Raum, auf welche Flanke wir uns den Weg nach oben suchen würden. Wir entschieden uns für den nordöstlichen Berg und fanden dank der passenden GPS-Karten einen kurzen aber steilen Weg. Wie ihr seht kamen wir noch rechtzeitig, da die Sonne noch nicht ganz hinter dem südwestlichen Hügel untergegangen war. Der erste Blick galt natürlich dem Hafen, mit den beiden weißen Schönheiten.
Hoch über der Stadt hatten wir dann den besten Ausblick über San Sebastián, das auch schon seinen Weg in die Geschichtsbücher gefunden hatte: Hier legte Christopher Kolumbus seinen letzten Stopp vor der Überfahrt nach Amerika im Jahr 1496 ein. Im alten Zollhaus existiert noch der Brunnen La Aguada, mit dem Kolumbus die Frischwassertanks seiner Schiffe vor der Überfahrt auffüllte. Mit einem leichten Überschwang an Stolz bezeichnen die Gomeros deswegen dieses Wasser als jenes, das von Kolumbus zur Taufe Amerikas benutzt wurde.
Auch überliefert ist eine kleine Affäre des Entdeckers mit der Witwe des herrschenden Grafen Hérnan Peraza auf La Gomera, der Señora Doña Beatriz de Bobadilla. Wegen des Techtelmechtels soll sich die Überfahrt nach Amerika auch um einige Tage verzögert haben.
Und wieder einmal passte einer unserer Städtetrips in die Kategorie “Speedsightseeing”. In nur wenigen Stunden hatten wir uns die wichtigsten Stationen von San Sebastián angeschaut und es sogar rechtzeitig zum Sonnenuntergang auf einen markanten Punkt geschafft. Dennoch hätte ein bisschen mehr Zeit gut getan. Kein Problem: Wir kommen einfach wieder. La Gomera wird definitiv ein Ziel sein, welches Conny und ich einmal ganz in Ruhe anschauen müssen. Schließlich soll das Hinterland noch einiges zu bieten haben. Und auch die schon beinahe ausgestorbene Pfeifsprache El Silbo hat auf La Gomera ihren Ursprung.
Für uns ging der Abend mit einem spanischen Barbecue auf dem Lidodeck der Sea Cloud II unter freiem Himmel zu Ende. Der nächste Tag sollte dann definitiv das Seglerherz hochschlagen lassen. Ein kompletter See-Tag war ausschließlich für die Entspannung an Bord reserviert. Und natürlich darf auf einem Segelschiff auch das ein oder andere Segelmanöver nicht fehlen.
Weitere Sea Cloud II – Reiseberichte:
- Tag 1.1: Hinflug nach Gran Canaria mit TuiFly
- Tag 1.2: Unsere Kabine & Einschiffung auf Gran Canaria
- Tag 2: Teneriffa
- Tag 3.1: Gemeinsames Segeln mit der Sea Cloud
- Tag 3.2: San Sebastián de La Gomera
- Tag 4: Wale am Seetag
- Tag 5: Las Palmas, Gran Canaria & Heimflug nach Stuttgart
Alle Bilder in diesem Artikel sind von Conny bzw. mir fotografiert und keine Pressefotos. Vielen Dank an Sea Cloud Cruises für die Einladung zur Kreuzfahrt mit der Sea Cloud II.
Toller Beitrag, Phil! Fernweh :-)
Viele Grüße
Mathias – underwaygs.com
Danke dir Mathias! Ich merke auch gerade so im Vergleich was wir im Moment für ein Schmuddelwetter hier in Deutschland haben. Manche meckern ja, dass es im Winter auf den Kanaren “nur” um die 20°C hat. Also ich würde sofort wieder hinfliegen.
Hallo Phil, ein sehr schöner Reisebericht über meine absolute Lieblingsinsel La Gomera! Ich werde mir die Angebote von Sea Cloud mal genauer anschauen, das scheint ja wirklich ein sehr angenehmer Aufenthalt gewesen zu sein.
Viele Grüße
Markus
Jetzt verstehe ich sofort, weswegen La Gomera deine Lieblingsinsel ist! Mich haben die paar Stunden auf der Insel auch gleich richtig geflasht. Wahrscheinlich liegt es auch an der Größe und der relativen Unberührtheit (im reinen Vergleich zu den anderen Kanarischen Inseln). Definitiv habe ich mir die “kleinen” Kanaren mal für einen weiteren Besuch vorgemerkt.
Das Schiff kann ich definitiv empfehlen. Segelschiffe entschleunigen echt super.
Hi Phil,
daß sind ja mal wieder richtig tolle Bilder, die bei diesem Sch…wetter richtig Fernweh aufkommen lassen.
Die Positionierung der drei Schiffe nebeneinander sieht schon skuril aus.
Ist der schweizerische Kapitän der grauhaarige Herr ganz rechts? Ich
vermute mal so.
Woher kamen die anderen Besatzungsmitglieder?
Habt Ihr von der Pfeifsprache “El Silbo” mal etwas live gehört?
LG aus NRW
Stefan
Leider habe ich El Silbo noch nie live gehört. Bisher kannte ich es nur von alten Voxtours-Folgen und eben über YouTube. Ich find’s aber echt klasse, dass man die Sprache mittlerweile wieder an Schulen eingeführt hat. So etwas ist einfach ein “lebendiges Kulturgut”. Beide Daumen hoch.
Für das Foto mit dem Schiff musste ich übrigens richtig sprinten. Die Sonne ging langsam über der Insel unter, und war schon beim Anlegen verdammt tief gesunken. Aber es war definitiv die Mühe wert.
Den Kapitän hast du übrigens gut erkannt. Die Besatzung inm Service kam zu einem sehr hohen Anteil aus Deutschland. Bei den Matrosen waren aber auch überdurchschnittliche viele Europäer – Die Sea Cloud ist unwahrscheinlich beliebt bei Kapitänsanwärtern. Klar: Ist ja auch viel spannender als ein Containerschiff. Natürlich durfte auch die Seefahrernation der Philippinen nicht fehlen. Anscheinend gibt es dort hervorragende Nautikschulen und sehr viele mit großer Vorliebe für die Seefahrt.
Zwei der Offiziere kamen noch aus Osteuropa und die erste Offizierin aus Kanada.
LG Phil
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